Paarungszeit: Roman (German Edition)
Franzi?«
»Lachs. Wuist ihn ham? Nur drei Wochen überm Datum, des is fei gar nix.«
»Ich meine die Umschläge.« Mit zwei Schritten war Christiane bei Franzi, riss sie ihr aus der Hand. »Dacht ich’s mir doch! Deine Wahlumfrage, Therese! Und da sind ja noch mehr drinnen! Was nicht ankommt, kann auch nicht zurückkommen, ganz klar!« Jetzt beugte sich auch Christiane über die Truhe, präsentierte ihr Heck, obwohl kein Mann in der Nähe war, wühlte, schimpfte, warf vereiste Fischstäbchenpackungen und gefrorene Hähnchenschenkel aus der Truhe und tauchte mit einem weiteren Umschlagstapel wieder auf.
»Ich nehme am besten die Fragebögen und verteile sie gleich. Ich glaube, ganz Neuenthal ist gerade auf der Straße. Und, Therese, wenn du Bürgermeisterin bist … Vielleicht ist es nicht verkehrt, mal drüber nachzudenken, ob man das mit der Poststelle anders regeln sollte. Schönen Tag noch, Franzi!«
Damit rauschte Christiane Breitner ab. Und Therese verbrachte eine weitere klamme halbe Stunde im Edekamarkt, nahm eine Tablette aus dem Aspirinvorrat, den Franzi hinter den Bierflaschen aufbewahrte, und beteuerte ein ums andere Mal, alles werde so bleiben, wie es gewesen sei, zumindest die Poststelle betreffend. Allmählich verstand sie die Kollegen im Bundestag immer besser. Ein Wahlversprechen war schneller gegeben, als einem lieb sein konnte. Sie erhob sich schließlich, ließ Franzi mit ihrer Inventur allein, ging rasch und würdevoll an den Umstehenden vorbei und schlüpfte durch die Tür ihres Ladens. Draußen verteilte Christiane Breitner die Fragebögen, tatsächlich! Ihr Herz! Nicht daran denken, wie die Umfrage ausgehen würde. Im Vorbeigehen griff sie nach einem Hut, einem weiblichen Modell, das sie auch Touristinnen empfahl, durchquerte ihr Café und eilte in ihre Wohnung. Deren Tür sie am liebsten hinter sich verrammelt hätte, um sie nie mehr zu öffnen. Aber daran durfte sie nicht einmal denken. Gott sei Dank begann die zweite Aspirin zu wirken. Sie brauchte einen Plan. Sie nahm ihr Handy und rief ihren Bruder an.
Auf dem Parkplatz schloss sie mit ihrem Zweitschlüssel den Tauchschulkombi auf. Da Hartl nicht ans Telefon ging, war anzunehmen, dass er sich unter Wasser aufhielt und sein Auto nicht brauchte. Sie würde sich beeilen, nur schnell in Mohnau Brot, Käse und Semmeln holen, schließlich musste sie für ihre Gäste sorgen. Einen anderen, dringlicheren Grund hatte sie auch.
Kruzifix, ausgerechnet jetzt war der Verkehr so dicht! Zu spät fiel ihr ein, dass heute die Pfingstprozession in Sonnau stattfand. Aber warum fuhren diese vielen Autos alle in die andere Richtung, nach Neuenthal, auch dieser Bus voller Asiaten?
Während sie in der Einbuchtung wartete, um ihn vorbeizulassen, dachte Therese darüber nach, ob sie doch für die Verbreiterung der Straße bei Neuenthal stimmen sollte. Aber dann wäre sie der gleichen Meinung wie die Strobls! Kurz vor Mohnau war die Straße frei, und sie steigerte das Tempo auf gute hundert Stundenkilometer, trotzdem kam sie zu spät: Ihr Hut war weg, die Toilette des Chez Lutz leer. Klingeln bei den Besitzern des Chez Lutz half nichts, niemand öffnete, und war es Einbildung, dass die Brunnhubers in der Bäckerei, Mutter und Tochter, sie merkwürdig ansahen? Wussten sie schon etwas? Wurde ihr Hut bereits in Mohnau herumgereicht und die passende Geschichte dazu? Wer hatte nicht dichtgehalten? Delphine? Matt? Oder hatte noch jemand etwas gesehen?
Mit grimmiger Miene kaufte Therese zwanzig Semmeln, zwei Bauernbrotlaibe und Brezn. Sie ignorierte die Frage der Brunnhuber-Tochter »Heute keine Bäsees?« und antwortete auf das folgende, etwas süffisante »Aber a tolle Veranstaltung war’s, die äh … Vorlesung do« mit einem bekräftigenden Nicken. Sie benickte auch das Lob des Bauchtanzes, erfuhr, dass es noch bis weit nach Mitternacht hoch hergegangen sei, der Umsatz der Mohnauer Geschäftsleute sei grandios gewesen. Gleichmütig stimmte sie dem Brunnhuberschen Frohlocken darüber zu und packte ihre Semmeln in den großen Korb.
»Und was is jetza scho wieda bei eich los?«, rief ihr die Brunnhuber-Mutter nach, als sie endlich den Laden verlassen konnte.
»A Streik, was denn sonst«, gab sie zurück, schmetterte die Tür zu, ließ den Motor des Kombi aufheulen und stellte sich in den Stau Richtung Neuenthal. Herrgottsakra! Was wollten die alle bei ihnen? Ausgerechnet heute!
Schon während sie auslud, auf dem überfüllten Parkplatz, kamen ihr Touristen
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