Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
Vom Netzwerk:
entgegen. Mit Appetitblick auf ihre Brezn im Korb.
    »Bekommt man wenigstens bei Ihnen etwas zu essen?«
    »Das ist ja ein Ding, dass man hergelockt wird und dann nichts zu essen bekommt!«
    »Äh, Entschuldigung, wir haben hier zufällig einen klitzekleinen Streik und …«
    »Ein Streik? Keine Pfingstprozession? Henning, du hast doch etwas von einer Pfingstprozession gesagt!«
    »Nein, irgendetwas mit Kühen! Die geschmückt durch die Straßen laufen!«
    »Entschuldigen Sie, die Pfingstprozession findet in …«
    »Und es gibt wirklich nichts zu essen? In diesem ganzen Ort nicht? Vielleicht verkaufen Sie uns ja privat ein paar Brezn?«
    Was, wenn sie in ihre Wohnung ging, einige Brezn mit Butter schmierte und sie verkaufte, für … sie rechnete rasch … zehn Prozent über dem Einkaufspreis. Wobei man noch die Butter abziehen musste. Nicht, dass sie etwa daran verdienen wollte, es ging nur um Neuenthals Ruf.
    Aber was für einen Eindruck würde es machen, wenn ausgerechnet sie, als Objekt der Solidarität sozusagen, den Streik unterlief? Am liebsten hätte sie den Streik beendet, indem sie selbst die Straße kehrte. Natürlich vollkommen undenkbar! Therese, du bist ein Produkt!
    »Es tut mir leid, Sie müssen nach Sonnau …«
    »Auch nichts zu trinken? Für die Kleine?«
    Auch das noch! Ein kleines, bezopftes Mädchen vor ihr, den Mund schon zum Weinen verzogen.
    »Ich … Moment!« Sie würde eine Flasche Wasser aus der Wohnung holen, sie schlug die Kofferraumtür zu, suchte gleichzeitig nach dem Schlüssel, mit schwankendem Korb. Aus dem zwei Brezn fielen.
    »Schau, Anne-Sophie, jetzt kannst du dir eine Brezel vom Boden aufheben!«
    »Nein, doch nicht wirklich, das hat Mutti nur im Spaß …!«
    »Henning, das ist kein Spaß! So etwas habe ich noch nie erlebt! Komm, Anne-Sophie, wir fahren!«
    »Hier gibt’s Würschte! Und Fleischpflanzerl! A Limo hob i aa!«
    Ohrenbetäubendes Hupen. Tonis Bus. Den sie immerhin von der Straße geräumt hatte. Jetzt versperrte er die Einfahrt des Parkplatzes. Toni klappte die Schiebetür auf, reichte Fleischpflanzerl heraus, vermutlich die Reste einer ganzen Woche, zum Sonderpreis.
    Es war zu viel. Erschöpft stellte Therese den Brezn-Korb ab. Nur um sich sofort umringt zu sehen von Fragenden, Befehlserwartenden.
    »Therese, was machma jetza? Die ham die Prozession falsch angekündigt!«
    »Könnten Sie vielleicht dafür sorgen, dass der Parkplatz freigeräumt wird, wir wollen herausfahren!«
    »Kuckucksuhl? Where can I buy Kuckucksuhl?«
    »Therese, wir dachten, wenn die Leut schon hier san, bieten wir ihnen was. Wo können sich denn die Musiker aufbauen?«

    Die nächsten zwei Stunden delegierte Therese die vielfältigen Aufgaben, ließ den murrenden, aber hilfsbereiten Quirin eine Straßenecke vom Müll freiräumen für die Feuerwehrkapelle, die sich mit Lucien zu einem Solidaritätsständchen entschlossen hatte. Sie sorgte für einen Tisch, an dem Delphine de Brulée die Autogramme geben konnte, nach denen die Touristen fragten, schleppte eigenhändig einen Kasten Wasser aus ihrer Wohnung nach draußen und erklärte ihre Brezn großzügig zum Allgemeingut, um den verheerenden Eindruck von Tonis Fleischpflanzerln wieder zurechtzurücken. Sie stellte sich todesmutig dem Mohnauer Metzger entgegen, der auch noch ein paar Würste im Auto hatte, regelte den Verkehr der An- und Abfahrenden – zumindest, so gut sie konnte und ohne Fredl, der seinerseits regelte, in die Quere zu kommen –, sagte den Asiaten, es gebe hier keine Kuckucksuhren, wobei sie sich die Bemerkung verkniff, dass ihres Wissens sämtliche Kuckucksuhren sowieso in Asien hergestellt würden. Sie wies ihren Bruder an, neue Plakate zu kleben – irgendwer der vielen Menschen, die sie umringten, hatte sie gefragt, ob das nicht eine gute Idee wäre, mei, wie sollte sie das denn wissen, in all dem Tumult! –, sie mahnte Aufgebrachte zur Besonnenheit. Was wenig nutzte. Lauter wurde die Musik, jetzt unterstützt durch Nat Wildmosers Hardrock-Männerchor, was nicht jedem gefiel, lauter wurde auch das allgemeine erregte Gemurmel. Der amtierende Bürgermeister stand nur herum und rang die Hände, Veit Strobl, neben ihm, ließ die Arme hängen und sah aus wie ein ratloser Gorilla, ein Eindruck, den Therese im Vorbeirennen aufnahm. Und was wollte jetzt Micha, Amreis Mann, mit vier Kühen im Gefolge?
    »Wenns a Prozession wollen oder was mit Kühen, dann mach ma a Prozession mit Kühen, hosd mi?«
    Kruzifix, Michas Kühe

Weitere Kostenlose Bücher