Paarungszeit: Roman (German Edition)
war?
»Doch, Cedi. Es ist wichtig.«
»Pardon. Natürlich.« Er seufzte, schob seine Brille zurück. »Ich komme mit. Ma biche«, setzte er noch hinzu und duckte sich, als ich nach der erstbesten Waffe griff, einem Socken, der eigentlich längst in ein Heim für alternde Frottee-Singlestrümpfe gehört hätte. Aus seinem Koffer suchten wir ein noch möglichst unzerknittertes Hemd für ihn heraus, ich schlüpfte in Özcans Kleid, striegelte meine Locken, dann gingen wir Hand in Hand über die alte Uferstraße, auf Neuenthals Einkaufsmeile und die Feuerwehrkneipe zu. Wo ich unter den vereinten Klängen der Feuerwehrkapelle, Luciens Akkordeon und Anderls übermotiviertem Hahn die erste Frau wählen würde, die in Neuenthals wechselvoller Geschichte das Bürgermeisteramt anstrebte und, wie es aussah, auch erobern würde.
Eine Frau, die Cowboyhüte trug und peinliche Geschichten erzählte, die Skandale provozierte, Rededuelle unterbrach und auf einem gestohlenen Motorrad querfeldein raste, um ihre Tochter zu retten. Und außerdem einen Apfeldatschi backen konnte, der glücklich machte. Eine Frau, auf die ich verdammt stolz war: meine Mutter, Therese Engler.
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Glossar
H ierbei handelt es sich um den Versuch, das erste bayerisch- sächsisch- französische Wörterbuch der Welt zumindest in Ansätzen zu kreieren. Was ich nicht nur Therese und Lucien, sondern ebenfalls Jüdda und Üwe schuldig bin, im Zuge der auch in Neuenthal nicht mehr aufzuhaltenden Glöbalisierung oder Klobalisierung.
Auch vor der französischen Invasion in Neuenthal gab es schon mehr oder weniger erfolgreiche bayerisch-französische Bündnisse. Jahrhundertelang stand Frankreich den Bayern immer wieder gegen Angriffe Österreichs zur Seite, vermutlich mochten die Franzosen auch keine Sachertorte, Kaiserschmarrn, Hans-Moser-Filme oder Kaffeehäuser, in denen servile Fragen dieser Art gestellt wurden: Noch an Verlääängerten, Herr Baron? Im Zuge der immer wieder erneuerten bayrisch-französischen Freundschaft gingen viele französische Begriffe in den bayrischen Wortschatz über, wie zum Beispiel Dekolleté, Büffet, Parapluie (nicht zu verwechseln mit monoplü > siehe Glossar) oder bœuf à la mode. Auf Bayerisch wurde das, was auf Sächsisch »een ordendlisches Stück Rindfleisch« heißt, zu böfflamott. Die Sachsen kommen in diese Geschichte des kulturellen Austausches erst spät hinein, in Gestalt von Judda und Üwe, aber besser spät als nie.
A, an: ein. Unbestimmter Artikel. Nicht zu verwechseln mit dem Zahlwort: oan
äwisch (sächs.): ewig. Siehe auch oiwei (bayerisch), im Sinne von immerwährend. Wobei die sächsische Äwischkeit ein größeres Misstrauen beinhaltet als die bayerische. Schließlich währte nichts äwisch, nicht die Mauer und ooch nisch das Fernweh, und plötzlisch wurde man doch noch zum Weltenbümmler und kam zum Nordgabb – inklusive Enttäuschung der immerwährenden Sehnsucht.
Apfeldatschi: flacher, »gedätschter« Apfelkuchen, der gegen jede Art von gedätschter Stimmung hilft, oft mit Streuseln großzügig bedeckt (gleichsam aufgemaschelt, s.u.)
aufmascheln: herrichten. Auch im Sinne von verbessern, z.B. das Brautkleid der Mutter aufmascheln. Oder das Dekolleté (frz.) der Kundin.
ausgschamt: schamlos. Gegenteil von gschamst, d.h. wünschenswert schamvoll, wie z.B. in gschamster Diener. Hier macht sich doch ein gewisser österreichischer Einfluss bemerkbar. Verb: schamma. Schamma soits eich für so a Intoleranz!
aussi: hinaus, wobei der sprachsensible Bayer auch aussa (heraus) kennt. Wenn er z.B. selbst draußen steht und lautstark Thereses Befreiung verlangt, wird er »aussa« rufen.
ausschaugn: aussehen, gern in Verbindung mit weiblichen Wesen und einem Kompliment gebraucht, pfundig ausschaugn z.B., was einerseits den Wert der Person ausdrückt, der mit Pfunden aufgewogen werden kann, andererseits auch die Tatsache, dass sie gut gebaut ist (siehe fescht ), was Susn prompt in den falschen Hals bekommt.
Badron (sächs.): Patron, Herr, man denke auch an ital. padrone (nicht etwa Patrone). Mit dem an die polizeiliche Autorität gerichteten Ausruf Sie ünverschämder Badron! verbindet Üwe elegant die italienischen Einflüsse in der sächsischen Kunstgeschichte mit der sozialistisch geprägten Ansicht, dass die Obrigkeit per se unverschämt ist.
Bia: Bier. Kalorienreiches Getränk, Brotersatz, Weltkulturerbe, Manna. (mehr unter Helles )
Biafuizl: Bierfilz, Bierdeckel. Hier: Name
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