Paarungszeit: Roman (German Edition)
zuwandte. Es blieb keine Zeit mehr, Matt zuzuflüstern, dass Toni die Preise von Mohnau und sogar der Kreisstadt unterbot, das war ihr Trick: ein Cut-and-Go für zwölf fuchzig, Leberkassemmel inklusive – aber nur die vom Vortag, das wusste jeder –, und Dream-Nails bunt, mit Fleischpflanzerl-all-you-can-eat für nur achtzehn Euro. Therese nickte Toni zu, und Toni grüßte zurück, ließ die Lammschulter in Anderls Einkaufswagen fallen.
»Na, hast Besuch, Therese?«
Was denn sonst? Sie begnügte sich mit einem würdevollen Nicken, sollte Toni ruhig noch ein wenig zappeln, und drückte Matts Arm, schließlich hatten sie nicht ewig Zeit, sie wollten auch noch zu Susn. Ein Gedanke, bei dem ihr etwas mulmig wurde. Sie schlenderten weiter. Hinter ihnen die Stimmen.
»Er is a Münchener, und er macht ihr zwoatausend Plakate!« In Anderls Stimme schwang Ehrfurcht.
»Dieser Kniebiesler?« Fredl. Zum Glück schien Matt nichts gehört zu haben, er schloss sein Auto auf, und sie nestelte nervös an der Schnürung ihres Dirndls. Darauf wäre sie im Leben nicht gekommen, gestern noch, als sie nackert vor dem Spiegel gestanden hatte: dass Matt, ausgerechnet Matt sie filmen würde! Er habe eine Kamera, im Auto, er brauche sie beruflich, hatte er ihr erklärt, als sie ihm von Fredls neuester Unverschämtheit erzählt hatte, von dem Supercop-Film. Vor Überraschung hatte sie sogar vergessen zu fragen, wozu man in einer Sanitär- und Haustechnikfirma eine Kamera brauchte. Jetzt holte er das Gerät aus dem Handschuhfach, das nicht größer aussah als eine kleine Leberwurst aus Tonis Metzgerei.
»Beweg dich mal, ich will nur mal testen, wie die Lichtverhältnisse sind.« Matt schaltete die Kamera ein, klappte ein kleines Display heraus, und Therese blieb einen Moment stocksteif stehen. Was meinte Matt mit bewegen, sollte sie etwa tanzen? In diesen Schuhen? Sie entschied sich für ein würdevolles Schreiten, auf Fredl zu, der, die Arme in die Hüften gestemmt, vor ihr aufgetaucht war wie Rumpelstilzchen aus dem Erdspalt.
»Was gibt denn des, wanns fertig is?«
»Einen Film.«
»Dann dad i gern amoi die Genehmigung sehn vom Herrn Bürgermeister. Des is a öffentlicher Platz.«
»Sehr schön, Therese, die Kamera liebt dich! Bleib ganz natürlich, rede mit den Leuten!«
Natürlich? Mit Fredl reden? Ihm sagen, wo er sich seine Genehmigung hinstecken konnte? Sie war doch gerade die Hauptdarstellerin eines Films, eines Bürgermeisterinnen-Films über Neuenthal, der hoffentlich bald im Mohnauer Kino zu sehen sein würde. Was würde das denn für einen Eindruck machen bei diesem Publikum, Urlauber und Mohnauer, die sich für etwas Besseres hielten, vor allem diejenigen, die aus der Großstadt hergezogen waren, wie die Leiterin des Bauchtanzkurses, die in der Hochsaison auch irgendeinen Schmarrn mit Kundalini und Yoga-Ananas angeboten hatte. Was sie zuerst für eine neue Eissorte gehalten hatte. Aber bei den Touristen kam es großartig an, und deshalb hatte sie, Therese Engler, nach zeitraubendem Studium im Internet, das in Neuenthal ebenso lahmte wie der Fortschritt, ganzheitlich gekontert: mit sommerlichem Kuh-Kuscheln auf der Weide, dem ultimativen Entspannungserlebnis für gestresste Großstädter. Ein voller Erfolg! Ganz Neuenthal war zu der Wiese gepilgert, um die Urlauber zu bestaunen, die sich an verblüffte, aber geduldige Kühe schmiegten. Kühe, die mit Wiederkäuen beschäftigt waren und sonst nutzlos auf der Wiese herumgelegen hätten. Zwei Fliegen mit einer Klappe! Auf jeden Fall würde sie das Kuh-Naturerlebnis diese Saison wieder im Angebot haben. Oder sollte sie es Kuh-Kundalini nennen, um es dieser Bauchtanz-Schnoin mit ihrer Yoga-Ananas zu zeigen? Warum nicht gleich Kuhdalini?
Lächelnd ging sie weiter, natürlich, wie Matt es wollte, durch das Tor des Parkplatzes auf die Seestraße, von dort auf die Einkaufsmeile. In ihrem Rücken das Gemurmel der Schaulustigen, es stachelte sie an zu weiteren, beinahe tänzerischen Bewegungen. Allerdings trübte der Anblick der Einkaufsmeile im Nachmittagslicht ihren Elan ein wenig. Von einem Puls, man musste es zugeben, war nicht allzu viel zu spüren.
An der Tür des Döner 24 hing das Geschlossen-Schild. Wie so oft in letzter Zeit. Und an der schmierigen Fensterscheibe schien die Gemeinderatssitzung der Neuenthaler Schmeißfliegen stattzufinden. Kruzifix, musste Therese Engler höchstpersönlich Özcan Breithuber sagen, er solle lieber seine Scheibe in Ordnung halten, statt
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