Paarungszeit: Roman (German Edition)
sich in seine Hinterstube zurückzuziehen und diese greislichen Gewänder zu schneidern, in denen seine Frau Franzi und inzwischen auch einige andere im Dorf herumliefen?
Hinter ihr schob Anderl geräuschvoll seinen Einkaufswagen über den Asphalt. Würde dieses Geschepper nicht den Ton des Films empfindlich stören? Und sollte sie nicht etwas tun, vielleicht eine Rede halten? Aber wie, wenn Fredl ständig um sie herumschäumte und drohte, die Kamera zu konfirmieren!
»Mei, Fredl, die is doch ned evangelisch, so a Kamera! Konfitieren meinst!«
Auch Toni war ihnen gefolgt, einen Schweinekamm in der Hand, hinter ihr stöckelte Christiane, mit hochgezogenen Augenbrauen und zuckenden Mundwinkeln.
»Evangelisch oder ned, jetza langts!« Fredl, das stand fest, brauchte dringend Kuhdalini oder eine gute Portion Yoga-Ananas. Was beim Mohnauer Publikum sicher gut ankommen würde. Therese besann sich auf den lang vergangenen Meditationskurs an der Kreisvolkshochschule und auf die Anweisungen, die sie sich für das Kuh-Erlebnis im Internet angelesen hatte. Und atmete tief ein, in ihre Mitte.
»Gaanz ruhig, Fredl, spür einfach dein inneres Licht!«
Wie tief und voll ihre Stimme klang. Genau richtig. Vielleicht sollte sie diese Atemübungen öfter machen.
»Großartig, weiter so!« Matt kam mit seiner Kamera näher heran, wich dem wutschnaubenden Fredl aus. Weiter? Was denn noch? Herrgottsakra, was hatte sie noch gelesen, irgendetwas über kosmische Harmonie und … Mariaundjosef! Musste das sein! Ausgerechnet der Strobl pflügte vom anderen Ende der Einkaufsmeile heran, überquerte die Straße an der Ampel, hinter ihm sein eingebildeter Sohn und der amtierende Bürgermeister. Mei, wie ihr Ex aussah mit seinem Seelöwen-Schnurrbart und dem bis zum Nabel offenen Hemd. Behaart war er damals schon gewesen, an Brust, Bauch, Rücken. Hätte sie im Standesamt schon gewusst, wie diese Behaarung in Grau und im Zusammenklang mit einer mächtigen Wampe ausschauen würde, hätte sie nicht nur nein gesagt, sie wäre schreiend davongerannt! Sie bemühte sich, mild und meditativ zu lächeln, trotz allem, schließlich stand sie vor der Kamera, und der ganze Landkreis würde ihr zusehen.
»Guten Tag, Herr Bürgermeister. Wunderbares Wetter!«
»Was ist das für ein … Volksauflauf?«
Typisch, dass der junge Strobl das Wort ergriff, bevor sein Vater und der Bürgermeister den Mund aufbrachten. Auch ein Bätschler, der Alex Strobl, wie ihre Susn. Aber in BWL.
»Des is koa Volksauflauf, Herr Strobl. Des is a Schweinenackenlieferung. Einen ausgezeichneten Schweinekamm hob i da, ganz ausgezeichnet!«
Wie Toni sich bemühte! Um Hochdeutsch und um den jungen Strobl. Nur, weil er mit Kathi einmal in der Disco gewesen war. Daraus abzuleiten, dass er Kathi heiraten würde, war äußerst gewagt.
»Die drehn an illegalen Propagandafilm!« Fredls Gesicht hatte mittlerweile die Farbe einer Aubergine angenommen. Sollte sie ihn nach der Uhrzeit fragen, damit er ein bisschen runterkam?
»Ach was, das sind Privataufnahmen! Und jetzt lassen Sie uns bitte in Ruhe!« Matt schwenkte die Kamera, von ihr weg, zum Bürgermeister und den Strobls.
»Es ist ein Werbefilm!« Die Korrektur aus dem Off musste schon sein. Und was filmte er die ganze Zeit den Strobl, mit seiner Gorilla-Behaarung auf der Brust?
»Ohne Genehmigung! Sog i doch!« Sakra! Fredl, der Hundling! Stieß Matt zur Seite und entriss ihm die Kamera!
»So! Die is konvertiert!«
»Zum Katholizismus, nehme ich an. Wie sich’s gehört.« Was hatte diese Breitner-Schnoin zu lachen, angesichts der Notlage! Und wie peinlich vor Matt, er würde sie am Ende noch alle für ungebildete Dorfbewohner halten, nur weil Fredl und Toni seit der Schulzeit mit Fremdwörtern auf Kriegsfuß standen. Und die Mohnauer erst! Immerhin lief die Kamera noch. Was sollte sie tun, Neuenthals Bildung demonstrieren mit einer kleinen Rede oder … Aber Fredl drückte die Kamera schon dem verdutzt dreinblickenden Bürgermeister in die Hand, er könne den Film jetzt herausnehmen, Matt heulte auf, dies sei eine Digitalkamera, seine Digitalkamera, fragte nach dem Namen von Fredls Vorgesetztem, und Toni petzte hemmungslos: Der Herr Weidinger habe recht, a Privatfilm sei des ned, von Plakaten hättens geredet, und …
»Hoit oanfach die Pappn, Toni, i sog doch, des is Wahlwerbung! Für mich!«
Vor Aufregung war Therese ins Bayerische verfallen, schnell korrigierte sie zu amtlichem Hochdeutsch. »Und jetzt, Herr
Weitere Kostenlose Bücher