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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Bürgermeister, hätten wir gern die Drehgenehmigung, das ist doch nur gerecht!«
    »Ach je, einen Werbefilm wollts drehen mit so einem billigen Ding? Zeigens amal!« Was tat der junge Strobl da, dieser ausgeschamte Kerl? Nahm dem Bürgermeister die Kamera ab, der sie ihm auch noch bereitwillig überließ.
    Jessesmaria, sie musste etwas tun! Schon pumpte Gorilla-Veit seine Brust auf, Toni feixte, Anderl verschanzte sich hinter dem Einkaufswagen, und Matt schritt mit einem gezischten »Finger weg, Sie Schnösel, sonst hol ich die Polizei« auf den jungen Strobl zu. Er ignorierte Fredl Weidingers Zwischenruf – »Ha, die is scho da, die Polizei!« – und stieß den jungen Strobl vor die Brust.
    »Lang eahm ned o, du Brunza!«, brüllte Veit Strobl, aber Matt griff schon nach der Kamera, und dann ging alles sehr schnell. Schritte, eilige Schritte, etwas Blaues, das durch die Luft sauste, sich um Veits Hals schlang, ein entsetztes »Leonhard!« von Christiane, Hartl, der Veit wegstieß, dem jungen Strobl die Kamera entriss, sie Matt in die Hand drückte mit den Worten: »Und jetza schleichst di!« Ein Rat, den Matt annahm, behende sprang er in sein Auto, brachte die Kamera in Sicherheit. Würde er wegfahren?
    Mei, woher kam dieser Schwindel? Therese kämpfte dagegen an, Schwindel und knieweiche Schwummrigkeit, aber sie würde doch nicht umfallen, sie, die Bürgermeisterin! Sie atmete tief in ihre Mitte, hielt sich aufrecht, sah Toni, die ihren Schweinekamm an die Brust drückte, registrierte Veits Gesichtsausdruck: überrumpelter Gorilla, eine Taucherbrille um den Hals, dann fiel sie geradewegs hinein in starke Polizistenarme.

7.
    W as für ein Tag! Gerädert stieg ich am Waldparkplatz aus dem Bus. Ich hatte eine anstrengende Schiffsrundtour mit einer koreanischen Kleingruppe hinter mich gebracht, deren Mitglieder glaubten, sie seien am Starnberger See, und mich penetrant nach dem Sissi-Schloss fragten. Der Neuenthaler Aussichtsturm als Alternative hatte ihre Stimmung nicht unbedingt gehoben, und die Tatsache, dass es hier keine Kuckucksuhlen zu kaufen gab, sorgte für beginnende Depressionen. Die ich mit einigen großzügig ausgeschenkten Maß Bier zu beheben versuchte. Worauf die Gruppe sich vor Gekicher über die Gläser kaum beruhigen konnte, Schluckauf bekam und dann geschlossen seekrank wurde. Und das an einem Tag, der mit einem Hochzeitsdirndl begonnen hatte.
    Zum Glück war mir wenigstens die Führung zur Neuenthaler Stadtgeschichte erspart geblieben. Thereses Kunden hatten sich stattdessen für Erlebnisshopping entschieden. Die Neuenthaler Stadtgeschichtsführung war sowieso eher dürftig: ein Trip zur Kuhweide, wo ich in ominöse flache Erhebungen hinter dem zweiten Zaun eine Ahnung von mittelalterlicher Besiedlung hineindeutete, am Seeufer entlang zurück, unter launigen Fischer-Anekdoten. Am Ortsschild eröffnete ich gewöhnlich den gebannt lauschenden Touristen, dass Neuenthal erstmals 1428 in einer Urkunde erwähnt worden war, dann galt es 582 Jahre ohne besondere Vorkommnisse zu überbrücken, bis zum nächsten erwähnungsbedürftigen, elektrisierenden Ereignis: Zum ersten Mal kandidierte eine Frau für das Amt des Bürgermeisters! Niemand anderes als die umtriebige Laden- und Cafébetreiberin, neuerdings auch Pensionswirtin Therese Engler. Meine Mutter. Die seit heute Morgen schon dreimal auf meine Mailbox gesprochen hatte. Aber ich würde mich hüten, die Anrufe abzuhören. Bevor ich ins Haus ging, schaltete ich das Telefon aus. Nach diesem langen Tag wollte ich nichts, als vielleicht ein, zwei Salatblätter essen und mit Timo auf dem Sofa kuscheln. Endlich zu Hause! Erleichtert öffnete ich die Wohnungstür und trat in den Flur.
    Es musste an meinem Zustand liegen, dass ich das, was an der Garderobe hing, zunächst für ein Gespenst hielt, ich hörte meinen eigenen erbärmlichen Schrei, meine Tasche entglitt meinen Händen. Schwer atmend stand ich im dunklen Flur, starrte es an.
    »Schatz? Ist was?« Timos Stimme kam aus dem Wohnzimmer. Woher auch sonst.
    »Alles okay«, antwortete ich zittrig, versuchte, mein wild galoppierendes Herz wieder auf einen gemäßigten Trab zu bringen.
    »War meine Mutter heute hier?«
    Eine rhetorische Frage angesichts des Hochzeitsdirndls an der Garderobe. Ich öffnete die Wohnzimmertür. Timo saß vor dem 60-Liter-Aquarium. Er winkte mich heran, ohne sich umzudrehen.
    »Schau mal«, flüsterte er.
    Im Wasser spreizte Zopodil seine tiefblauen Schleierflossen, breitete

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