Paarungszeit: Roman (German Edition)
siebenundzwanzig Jahren gesagt, als sie nach der nicht erfolgten Trauung neben ihrem Bruder Hartl stand, zwischen Schwimmflossen und Pressluftflaschen. Sie hatte sich zu ihm geflüchtet, in die neu eröffnete Tauchschule, noch im Brautkleid, und zusammen hatten sie durch die offene Tür auf den See geschaut, und irgendwann hatte Hartl die Hand auf ihre Schulter gelegt und gesagt: »Des kriag ma scho.«
Mariaundjosef, nicht schon wieder dieses Bierkuchenrührungsgefühl, diesmal saß es im Hals. Sie räusperte sich, brachte etwas wie »Gemma hoit nüber« hervor, und Matt legte ihr einen Arm um die Schultern. Anderl kehrte hinter ihnen her, im Takt ihrer Schritte, als sie gemeinsam auf ihr Café zuspazierten. Im Gehen stieß Matts Hüfte weich an ihre Taille, der Strauß, in seinem anderen Arm, raschelte und duftete, und als Matt zu reden begann, kitzelte sein Atem ihr Ohr: Er müsse ihr unbedingt von der Idee erzählen, die er gestern noch gehabt habe, vielmehr sie beide, der Künstler und er. Nachdem sie gegangen war, hätten sie noch ein wenig über sie geredet, er hoffe, sie sei ihm nicht böse, und der Künstler habe geäußert, dass er genau ein solches Modell immer schon habe malen wollen, und dabei seien sie auf ihren Ärger mit den Plakaten gekommen, und eins habe das andere ergeben.
»Eins … äh … das andere?«
»Noch in der Bar hat er einen Entwurf gezeichnet, einen sa-gen-haften Entwurf, mit Bleistift, auf einen Bierdeckel, und heute Morgen habe ich die fertige Zeichnung abgeholt. Er war so inspiriert, er hat die ganze Nacht drangesessen! Super, sag ich dir, ich habe es gleich in die Druckerei gebracht, es eilt dir doch so!«
Matt blieb stehen, schwenkte feierlich den Blumenstrauß.
»Zweitausend Stück lassen wir drucken, Therese, und dann hast du ein Plakat, mit dem du die Wahl ganz sicher gewinnst! Was sagst du jetzt?«
Was, Mariaundjosef, sollte sie dazu sagen?
»A Bild … äh … du meinst, so in dem Stil wie die Buildl in der Fetisch-Bar?« Himmiherrgott! Was hatte er gemalt? Nur … gewisse Teile von ihr? »Und davon … zwoatausend Stück?«
Die Kehrgeräusche hinter ihnen erstarben. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Anderl, den Besen über der Schulter, so flott wie möglich Richtung Straße verschwand.
6.
H ier wird nix geliefert, bevorsd ned des Auto gscheit histellst, hosd mi?«
»I fahr do glei wieda weg!«
»Des sogst scho seit a halben Stund!«
»Jetza sei do ned so, Fredl-Schatzerl.«
»Zehn vor zwölfe. Und wennsd ned sofort …«
»Erst will i mei Lammschulter!«
Der Bus der Metzgerei parkte mitten auf dem Platz, die Schiebetüren geöffnet, umtobt von Fredl Weidinger in Uniform. Toni, dieses neugierige Weibsbild! Wollte sich die Sensation von Matts Ankunft nicht entgehen lassen. Unter dem Vorwand einer dringenden Lammschulterlieferung an Anderls Feuerwehrkneipe. Anderl hatte ganze Arbeit geleistet in den zwei Stunden, in denen sie und Matt Kaffee getrunken hatten. Inzwischen hatte er den Besen gegen einen Einkaufswagen getauscht, in dem schon mehrere Fleischstücke lagen. Auch der Kombi der Tauchschule stand auf dem Platz, Hartl lud Pressluftflaschen in den Kofferraum, und von der Einfahrt her stöckelte Christiane Breitner heran, in Nadelstreifenrock, Nahtstrümpfen und Pumps, beladen mit Taucherbrillen. Nur eine Frage der Zeit, wann sie die erste fallen lassen und sich bücken würde.
»Gehen wir?« Matt, in der Tür des Cafés, bot Therese galant den Arm, und sie hakte sich bei ihm unter. Ihren dringenden Fragen nach der Gestaltung des Plakats war er bei Apfeldatschi und Cappuccino mit feurigen Beteuerungen begegnet: Es handle sich um hehre Kunst, die nicht nur sie, sondern ganz Neuenthal begeistern werde! Sie solle ihm vertrauen! Was blieb ihr auch anderes übrig angesichts der Glanzdruckplakate von Fredl? Gemeinsam schritten sie über den Platz, hinein in die plötzliche Stille. Kruzifix, musste Matt so plötzlich stehen bleiben, dass sie fast stolperte und all ihre Bürgermeisterinnenwürde verlor? Noch dazu vor Tonis Bus! Zugegeben, das Logo auf dem Bus war eine gute Geschäftsidee. Ein Schwein, das sich die Nägel lackierte.
»Metzgerei und Nail-Art-Studio«, las Matt laut, »so was haben wir selbst in Paris nicht!«
»Es is auch noch a Frisörsalon, aber des draufzudrucken traut sie sich ned, sie hat koa Friseurlehre gemacht«, raunte Therese Matt zu, gerade noch, bevor Toni, die Lammschulter in den strassnägelbesetzten Händen, sich ihnen liebenswürdig
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