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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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sie aus wie ein überdimensionales Tutu. Eine Assoziation, die Zopodil sicher nicht gefallen hätte. Zopodil war ein Siamesischer Schleierkampffisch und strotzte vor Aggression.
    »Ich glaube, Nefertiti hat schon Laichstreifen«, hauchte Timo. Jetzt erst sah ich das Weibchen, das wie die meisten Weibchen in der Tierwelt nach nichts Besonderem aussah und still im Wasser stand, während Zopodil alles gab, Tänzeln, Flossenwedeln, Schillern, so geschmeidiges wie pfeilschnelles Umwenden, um sich wieder von einer anderen, noch prachtvolleren Seite zu zeigen. Vorsichtig trat ich einen Schritt näher.
    »Hat Therese irgendwas gesagt?«
    »Pssscht«, machte Timo. »Schau, er hat schon ein Schaumnest gebaut!«
    »Wow.« Im Stillen verfluchte ich wieder jenen Moment vor dem Zoogeschäft am Bodensee, als ich vorgegeben hatte, mich für Zierfische zu interessieren. Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als das weißliche Gebilde zu bestaunen, das in den Wasserpflanzen hing und auf das Zopodil immer wieder mit protzigen Flossenschlägen hinwies. Aber Nefertiti blieb unbeeindruckt, betrachtete sein Gespreize und Getänzel mit abwesendem Blick, als ob sie gerade über anderes nachdachte: seine Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten, seine Fürsorgequalitäten, sein Verantwortungsbewusstsein und seine mögliche Rente.
    Ich konnte sie verstehen. An ihrer Stelle hätte ich Zopodil auch nicht getraut. Siamesische Kampffischmännchen vergaßen vor lauter Aggression leicht, dass sie bei ihrem Date eigentlich ein nettes Dinner zu zweit unter einer Wasserpflanze geplant hatten, danach friedliches Kuscheln im Schaumnest mit Eiabgabe und Befruchtung. Laichstreifen hin oder her, irgendwann kam immer der Punkt, an dem Zopodil auf das Weibchen losging, was das Weibchen, anscheinend nicht ausreichend mit SM-Praktiken vertraut oder selbst am dominanten Part interessiert, zu flossenzerfetzender Verteidigung veranlasste. Aber heute schien Nefertiti auch dazu keine Lust zu haben, sie wandte sich nur cool von seinem bereits aggressiver werdenden Gebalze ab, schwamm zur Glasscheibe und glubschte in die Kamera, die ihre erfolgreiche Paarung direkt ins Zierfischforum im Netz übertragen würde.
    »Vielleicht will sie zum Film.« Ich bereute die Bemerkung schon, als ich sie aussprach. Wenn es um die Fortpflanzung ging, hatte Timo ebenso wenig Humor wie Zopodil. Nefertiti schwamm noch näher an die Kamera heran, ein versonnenes Lächeln auf den Lippen, als träumte sie von Fisch-Hollywood, von Millionengagen statt millionenfachem Nachwuchs, während Zopodil hinter ihr alle Grenzen der Balzkunst sprengte.
    »Komm schon, Nefi!« Timo beugte sich vor, angespannt. Er war schlanker als damals, als wir uns vor dem Zoogeschäft kennengelernt hatten, seine Schulterblätter stachen durch sein Sweatshirt. Bestimmt saß er schon seit Schulschluss vor dem Aquarium und hatte höchstens eine Pizza und eine Tafel Schokolade – für ihn so gut wie nichts! – gegessen.
    »Spatzl, ich mach uns eine kleine Brotzeit, ja?«
    »Du willst nicht dabei sein?« Timos Stimme, ungläubig.
    »Doch, doch. Ich beeil mich.« Ich biss mir auf die Lippen. Kruzinesen, ausgerechnet heute! Seit Monaten arbeitete Timo an dieser Paarung von Zopodil mit einer seiner Haremsdamen Nefertiti, Priya oder Xanthippe, dem großen Ereignis, das seine Schleierkampffischzucht begründen sollte. Ich verließ das Zimmer, ignorierte das Gespenst an der Garderobe und ging in die Küche. Wie ich ihn einschätzte, hielt Zopodil nicht viel von einem langen Vorspiel, vielleicht hatte ich Glück und sie wären schon beim Kuscheln danach, wenn ich mit dem Abendessen zurückkam. Den ganzen Tag hatte ich immer wieder an Ginas Bemerkung gedacht: Es geht um eure Liebe, euer Leben! Sie hatte ja recht. Wir mussten endlich über mein Hochzeitskleid sprechen.
    Was sollte ich uns zubereiten, für einen romantischen Abend zu zweit? Für eine Sekunde sah ich vor meinem inneren Auge ein gebratenes Fischfilet, garniert mit Zitronenscheiben, umgeben von perfekt gerundeten Rosmarinkartöffelchen in zerlassener Butter. Wie Schleierkampffisch wohl schmeckte?
    Wie konnte ich so etwas nur denken! Timo aß noch nicht einmal Fischstäbchen oder Sardellen auf der Pizza, schon der Anblick von Käpt’n Iglos Seemannsschmaus im Supermarkt verstörte ihn zutiefst. Natürlich verzichtete ich ihm zuliebe auf Fisch. Obwohl ich Fisch liebte. Schon immer, schließlich war ich am Ufer eines Sees aufgewachsen. In letzter Zeit hatte ich sogar

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