Paarungszeit: Roman (German Edition)
Abend, das musste einen feinfühligen homosexuellen Musiker schon erschrecken. Oder nannte man das transsexuell? Sie trat einen Schritt näher zu ihm. Er sollte einen guten Eindruck von Deutschland bekommen, insbesondere von der Einfühlsamkeit oberbayerischer Pensionswirtinnen. Schließlich sollte er ja auf dem Pfingstmarkt spielen.
»Croissants hams leider ned gehabt beim Brunnhuber. Deshalb hab ich Bäsees gekauft. Dieses weiße Schaumgebäck, das heißt doch Bäsee …«
War es Einbildung, oder war er zurückgezuckt? Sie stellte die Schüssel auf den Tisch.
»Wait a moment.« Warum war ihr das nicht früher eingefallen? Jeder lernte Englisch auf der Schule. Sogar Franzosen. Sie drehte sich auf dem Absatz um, stutzte nur kurz, als sie den jungen Mann im Flur sah, hinter ihm diese Brulée-Schnoin und Matt, und ging zurück in die Küche, um Kaffee in die Frühstücks-Thermoskannen zu füllen, Eier zu kochen, die Wurstplatte und den Obazdn herzurichten: aus einem zerstampften Brie aus dem Supermarkt, einer Schmelzkäse-Ecke, die, zugegeben, schon länger in ihrem Kühlschrank weilte, frischen gehackten Zwiebeln, Salz, Pfeffer, Paprika, Essig, Bier und einem Stückchen Butter. Als sie das erste Tablett hinübertrug, hörte sie von oben die Stimmen von Judda und Üwe. Beim zweiten Tablett saßen sie schon alle im Frühstücksraum, die drei Franzosen und Matt an einem, die Sachsen am anderen Tisch. Sie häufte ihre Herrlichkeiten auf das Büfett. Auch ein französisches Wort. Büfett. Wie Toilette. Etat. Portemonnaie. Bagage. Die deutsche Sprache war voller französischer Wörter, sie hatte es nie bemerkt.
Alle schauten ihr zu. Zeit für eine kleine Ansprache.
»Good morning! What you see here, san die Anfänge from a typical bavarian Brotzeit. Here are schon amoi the eggs from Resi, real Country-Eggs. More comes noch. Take a Brezn or a Semmel dazu. And then I have a great Überraschung: Bäsee! You understand? Bäsee!« Was schauten sie jetzt wieder so, dieser sensible Kaschmir-Transvestit und die Brulée in ihrem schicken karierten Röckchen mit weißer Bluse? Was rieb Matt sich die Augen, als ob ihn etwas quälte? Und was rannte dieser junge Kerl ihr jetzt nach? Sie betrat die Küche und bettete die Bäsees auf eine Serviette mit Rosenmuster, die noch von der alten Besitzerin des Hauses stammte. Der junge Mann nahm ihr das Körbchen ab, lächelnd.
»Jetzt verstehe ich. Das Gebäck heißt bei den Franzosen nicht Baiser, sondern Merengue. Wissen Sie, was Baiser bedeutet? Nein? Es heißt Kuss. Ein wunderbares Frühstück, Madame. Danke!«
Damit verbeugte er sich vor ihr und trug die Bäsees in den Frühstücksraum.
Heller Vormittag. Therese ließ die Tür ihres Geschäfts offen, ein fröhlicher Frühlingswind raschelte durch die hängenden Dirndl. Draußen kehrte Anderl die Straße. Mei. Was für eine Lauferei so ein Frühstück für sechs Gäste bedeutete! Sie setzte sich in ihren Kuhsessel, streckte die schmerzenden Beine aus. Wie es aussah, würde es einen weiteren französisch-sächsischen Frühstücksmorgen geben. Mit fünf Personen. Ohne Matt. Und ohne Bäsees. Oder den übrigen Bäsees von heute. Denn Franzosen, hatte sie gerade gelernt, aßen zum Frühstück so gut wie nichts. Und das, was sie aßen, tunkten sie vorher in ihren Kaffee. Brezn tunkten sie in ihr Ei. Wobei sie für dieses Tunken normalerweise Weißbrot verwendeten. Aber sie aßen eigentlich sowieso keine Eier zum Frühstück. Hatte ihr der junge Mann freundlich erklärt. In den Obazdn tunkten sie ihre Bäsees. Jedenfalls hatte der Akkordeon-Transvestit es getan. Worauf eine lebhafte französisch-sächsische Diskussion ausgebrochen war, mit vielen Ohs und Oh-là-làs. Judda war zum Tisch der Franzosen getreten und hatte ihnen auf Englisch erklärt, dass der Öbazda with Bier gemacht würde, real german Beer wie on the Ögdöberfest. Worauf ein weiteres Raunen durch die Versammlung ging und sich alle über den Obazdn beugten, als ob sie ihn anbeteten. Gegessen hatten sie ihn trotzdem nicht.
Es war verwirrend. Und das Verwirrendste an allem war das Verhalten von Matt. Wie eilig hatte er es nach dem Frühstück gehabt! Ein dringender Termin, beruflich, er könne ihn nicht mehr aufschieben, es tue ihm leid, alles, was geschehen sei, Delphine sei eben sehr … – er zögerte, blass sah er aus, seine Hamsterbäckchen hingen herunter – … eben sehr besitzergreifend. Sie sei ihm nachgereist. Habe ihn sozusagen aufgespürt. Ja, er sei mit ihr
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