Paarungszeit: Roman (German Edition)
zusammen und glaubte, Therese wolle ihren Ausschnitt umhäkeln wie einen Topflappen. Aber im nächsten Moment hatte Therese schon eine Auswahl an Dirndl-Push-up-BHs vor ihr ausgebreitet, ihr den Mechanismus des Duttln-Liftens erläutert, und in den Augen der Kundin glänzte Begeisterung. Die Käuferin ging mit einem Pelzdirndl, zwei Push-ups und der Bemerkung, sie werde die Kunde von Thereses Trachten unter ihren Freundinnen in Wuppertal verbreiten, ob man auch online bestellen könne?
Nachdenklich hängte Therese die anderen Pelzmodelle wieder an die strategisch günstigen, vom Eingang her einsehbaren Kleiderständer. Sie musste mit ihrem Neffen sprechen, sie brauchte dringend einen Online-Shop! Selbst Özcan Breithuber, das tapfere Änderungsschneiderlein, hatte eine Internetseite, auf der er zu orientalischer Musik – die bei Neuenthals lahmendem Internet immer hängenblieb – seine geschmacklosen Gewänder anbot. Und neuerdings also auch Hochzeitskleider. Wie konnte Susn nur auf die Idee kommen, bei ihm …
»Oh! Hallo! Komm doch eini, I mean rein, Lucien!«
Sie hatte ihn gar nicht gesehen, in ihrem emsigen Herumräumen, Weghängen, Verstauen. Er stand im Sonnenglanz der Eingangstür. Sie winkte ihn heran und bemerkte erst, als er schmunzelnd näher kam, dass sie noch einen Dirndl-Push-up-BH in der Hand hielt. Als stünde sie am Bühnenrand bei einem Konzert einer Boygroup. Andererseits: Gerade bei ihm war Verlegenheit doch nicht angebracht. Ein Mann wie er musste mit dergleichen Accessoires vertraut sein. Obwohl sie bisher keinen BH oder Ähnliches in seinem Zimmer gefunden hatte. Dafür weitere Paare Nylonstrümpfe. Sämtlich zerknüllt. Hastig ausgezogen, weil er Angst hatte, erwischt zu werden? Vor ihr musste er sich doch nicht schämen!
Sie schämte sich ja auch nicht vor ihm. Gestern, zum Beispiel. Mei! Beim Üben ihrer Rede hatte es sie einfach überkommen, die Worte waren geradezu aus ihr herausgebrandet, wie Delphine de Brulées Wogen, sie hatte ihm so viel erzählt wie nie, intime Dinge, darunter ein Erlebnis, das dreiunddreißig Jahre sicher in ihrem inneren Seelen-Safe verschlossen gewesen war.
Befreit fühlte sie sich seitdem, gereinigt. Selbstbewusst. Siegesgewiss. So musste man sich fühlen, wollte man die Massen begeistern. So, sie spürte es deutlich, stimmte ihre Ausstrahlung. Und was hatte sie, Therese Engler, Lucien dafür zu bieten? Als Gegenleistung für seine unbegrenzte, lauschende, geradezu heilende Aufmerksamkeit? Seit gestern dachte sie schon darüber nach, und jetzt schenkte sie Lucien ein Lächeln, das hoffentlich so sonnig ausfiel, wie sie sich fühlte. Den Push-up-BH legte sie sich unauffällig über den Arm. Sakra! Ihre Kleider! Dirndl! Wäre das nicht eine Idee? Sie trat einen Schritt auf ihn zu.
»Gefallens dir, diese Pelzmodelle? San scho schick, ha? Très chic!«
Lucien lächelte und nickte. Und sie nahm ein Dirndl von der Stange, strich über das pelzverbrämte Mieder.
»Extravagant sans! Koa Kunstpelz, des is a Hase! Hosd mi? You have me? Hasenpelz!«
Vorsichtig streckte er die Hand aus, eine, wie sie in letzter Zeit immer wieder bemerkt hatte, schöne, gebräunte, zarte und dennoch maskulin behaarte Musikerhand. Seine schmalen Finger strichen ebenfalls über den Pelz, seine Augen leuchteten, offensichtlich schien es ihm hier zu gefallen, in dieser Welt femininer, dennoch rustikaler Schönheit.
»Komm, ich zeig dir die anderen Modelle! Ich weiß doch, des magst, mia zwoa müssen do ned drumherum reden!«
Den Push-up über dem Arm, mit der anderen Hand seinen Ellbogen haltend, führte sie ihn durch den Shop, wie ein Weinkenner einen Gast durch seinen Keller erlesener Köstlichkeiten führen würde, blieb hier und da stehen und erläuterte die Besonderheit eines Dirndls. Wie nah er ihr war. Wieder dieser frische Duft, den sie auch in seinem Zimmer so gerne roch. Es war ein französisches Deodorant, hatte sie putzend und schnuppernd festgestellt, aber es entfaltete diese Frische erst in Verbindung mit seinem Körper.
»Welches Dirndl you like am meisten? The Pelzdirndl oder the Camouflage-Dirndl oder the Alpendirndl?«
Er schaute sich im Laden um, dann wieder zu ihr, dann zeigte er auf das Alpendirndl mit rosafarbener Schürze, was ihr ein vielleicht etwas unbedachtes »Yes, wenn schon then denn schon« entlockte. Er nickte und lachte, schaute lächelnd von ihr auf das Dirndl, dann wieder zu ihr. Auffordernd, wie ihr schien. Ob er … mei! Ja! Freilich! Er traute
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