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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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wüsste gar nicht, wie sie dazu käme, mir so etwas Kostbares zu schenken, ich …
    »Ah, Susön! Es ist eine Art … Comment on dit, Matthieu? Merci! Anerkennùng! Für deine … Werk. Cedi hat mir zu lesön gegebön eine Stück!«
    Die nächsten zwanzig Minuten drehte sich die Unterhaltung um Susn-die-Schreiberin und die Ihajeflo-Geschichte, und ich fiel von einem Erröten ins nächste. Natürlich wollte Gina sie auch sofort lesen, überlegte schon, wie man sie vermarkten könnte. Quirin musterte mich spöttisch, er habe gar nicht gewusst, dass in mir ein Talent für erotische Literatur schlummere. Timo versicherte, es ginge dabei nicht um Erotik, sondern um tolle Landschaften. Und Onkel Hartl, für seine Verhältnisse äußerst redselig, erzählte von unseren Seeungeheuer-Geschichten, damals im Ruderboot der Tauchschule.
    »Davon habe ich gar nichts gewusst.« Matthias Glatthaler schaute mich an. Mit rotweinschwangerem Blick. Die ganze Zeit schon tranken wir Mohnauer Charmeur, auch bei mir wirkte der Wein, er verpackte Gedanken, Gefühle und Schlampenschmach in wattige, warme Tücher.
    »Wie willst auch davon gewusst ham, du warst ja ned da.« Mein Onkel sprach den Gedanken aus, den ich erst mühsam aus den Rotweintüchern pellen musste, und Christiane Breitner legte ihm die Hand auf den Arm. »So weit, so gut, Leonhard, lassen wir die alten Zeiten ruhen!«
    »Wo ist eigentlich Therese?«, fragte Quirin.
    Christiane Breitner zog ihre Augenbraue hoch und sah meinen Onkel an. »Zuletzt war sie auf der Bühne. Meinst du, wir sollten mal nach ihr …«
    »Therese?« Warum wurde Matthias Glatthaler jetzt rot?
    »Es … es geht ihr gut«, sagte er, und Delphine nickte bekräftigend. Um gleich darauf in sich hineinzukichern.
    »Woher wisst ihr das?«
    »Von die … Toalett, n’est-ce pas, Matthieu?«
    »Äh, Delphine, das musst du jetzt nicht so genau …«
    »Wieso? Matthieu besischtigt immer die Toalett, wenn er ist irgendwo, c’est normal, c’est une déformation professionelle!«
    Delphine verfiel in aufgeregtes, durch Kichern unterbrochenes Französisch, so schnell, dass ich nur noch wenig verstand. Matthias übersetzte simultan und etwas verlegen: Delphine und er waren zusammen zur Toilette gegangen, er aus Besichtigungsgründen, sie, um sich nach der Lesung frisch zu machen. Und wie es aussah, hatten sie Therese dort angetroffen. Im Damenklo. Nicht allein.
    »Zwei Akkordeons«, sagte Matthias, und: »Er ist so heikel mit seinen Instrumenten. Zum Glück sind sie in Sicherheit.« Er räusperte sich und setzte hinzu: »Delphine hatte das Gefühl, es geht ihnen sehr gut.« Dann wurde eine neue Runde Mohnauer Charmeur serviert, und wir alle stießen miteinander an.
    »Auf Thärèse!«, sagte Delphine. »Cin-Cin!«
    »Ja, auf die Bürgermeisterwahl!« Christiane hob ihr Glas.
    »Auf ihr Glück!«, sagte Matthias Glatthaler mit glänzenden Augen.
    War ich die Einzige, die nicht verstanden hatte, was Therese dort im Damenklo eigentlich getrieben hatte? Ganz sicher etwas äußerst Peinliches, was sonst. Etwas, für das ich noch vor einer Woche in den Boden versunken wäre. Als ich auf die Toilette ging, erwartete ich halbwegs, sie noch dort vorzufinden. Aber die Toiletten waren leer und still, nur das übliche Vogelgezwitscher, dazu ab und zu die Klänge eines indischen Saiteninstruments, hin und wieder ein Rauschen, wie ein entfernter Wasserfall, ein Geräusch, das uns vielleicht daran erinnern sollte, die Klospülung zu ziehen. Die Toilette im Chez Lutz war nicht der schlechteste Ort der Welt. Selbst ein Spezialist wie Matthias Glatthaler musste dies zugeben.
    Einen Moment blieb ich vor dem Spiegel am Waschbecken stehen, betrachtete mein Gesicht in der etwas schlierigen Scheibe: blasse Lippen, ungeschminkt, aber nicht ungeküsst, ein kleiner Rotweinfleck im Mundwinkel, große, noch vom Lob erstaunte hellblaue Augen – ich war froh, Thereses Augenfarbe geerbt zu haben, nicht Matthias Glatthalers Braungelb –, das Ganze umrahmt von Locken, die wild in alle Richtungen abstanden. Es war nicht das Gesicht von Susn-der-Braut, auch nicht das von Susn-mit-den-tausend-Ängsten. Es war das Gesicht von Susn-der-Geschichtenschreiberin. Ich wusch mir die Hände, sah mich noch einmal um, und dann sah ich ihn: Thereses Indiana-Jones-Hut, der an der oberen Türkante des Wickelraums hing. Ihr Lieblingshut. Was konnte ich anderes tun, als ihn mitzunehmen? Ich trug ihn die Treppen hoch, zurück in den Gastraum.

    Nacht. Süß war die

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