Paarweise
liebend sich hingeben einem anderen Menschen, seinem Partner, dann wird er glücklich, ohne sich darum zu kümmern. Gerade deshalb, weil er sich nicht darum sorgt. Wenn er sich jedoch darauf konzentriert, ich möchte glücklich werden, dann verliert er ja schon sozusagen den Boden unter den Füßen, dann verliert er den Grund, buchstäblich, um glücklich zu werden.
Denn er wird glücklich, wenn er diese Selbsttranszendenz auslebt, das heißt, wenn er aufgeht in einer Aufgabe, wenn er aufgeht in der Hingabe in den Partner. Es ist genauso wie mit dem Auge: die Fähigkeit des Auges, seine biologische Funktion auszuüben, das heißt die umgebende Welt wahrzunehmen, visuell wahrzunehmen. Interessanterweise ist diese Fähigkeit absolut abhängig davon, dass das Auge nicht sich selbst wahrnimmt. Wenn wir absehen von Spiegelungsprozessen – wann sieht mein Auge sich selbst?
Zum Beispiel, wenn ich an dem grauen Star erkrankt bin, dann sehe ich irgendwelche Wolken, die Linsentrübung. Wenn ich an dem grünen Star erkrankt bin, dann sehe ich Regenbogenhöfe und Lichtquellen drumherum, das ist der erhöhte Druck in der vorderen Augenkammer. Das gesunde Auge nimmt die Welt wahr, aber nicht sich selbst. Und in dem Maße, in dem es sich selbst wahrnimmt, ist es schon erkrankt und seine Funktion gestört. Und genauso ist es mit dem Menschen. In dem Maße, in dem er sich
vergisst, in dem er sich, wie das Auge, übersieht, hingibt an den Partner, sagen wir im Sexualakt, in dem Maße ist er potent, ist sie orgasmusfähig. … Sie müssen sich übersehen können, sie müssen sich vergessen können, sie müssen in Selbstvergessenheit hingegeben sein können, an eine Aufgabe oder an einen Partner. Aufgehen in einer Sache oder in einer Person, in der Liebe zu einer Person. Im Dienst an einer Sache und in der Liebe zu einem anderen Menschen wird der Mensch überhaupt erst ganz Mensch und wird er, er selbst. Das heißt: Selbstverwirklichung ist nur zu haben um den Preis der Selbsttranszendenz, der Selbstvergessenheit in diesem besten Wortsinn.«
»Und was macht die Menschen glücklich?«
»Der Mensch, der, sagen wir, einen Sinn erfüllt hat oder sich an eine Sache oder an eine Person hingegeben hat, der wird also automatisch glücklich, und das gilt bis in Grenzsituationen hinein.
»Können Sie sich vorstellen, dass Christus der glücklichste Mensch auf Erden war nach dieser Theorie, weil er sein Leben für die Menschen, für die Erlösung der Menschheit hingeben konnte?«
»Ich bin der Letzte, der legitimiert wäre, diese Frage zu beantworten und diese Sachlage zu beurteilen. Aber Sie haben mich ja auch nur gefragt, ob ich es mir vorstellen könnte, vorstellen könnte ich es mir sehr wohl.«
Der Weg zur Partnerschaftsfähigkeit
Zur Umsetzung brauchen wir mehrere Komponenten: den neuen Mann, die neue Frau, die neue Form der Partnerschaft.
Man wird jeden Tag neu erfunden
»Du steckst voller Geheimnisse, die Du Ich nennst.«
Paul Valery
My significant other, so bezeichnet die englische Sprache den Lebensgefährten, die Lebensgefährtin. Meine bessere Hälfte, sagt man im Deutschen gerne dazu. Wird man wirklich erst durch das Du zum Ich? Die Psychologie sagt: ja. Ebenso wie Schriftsteller und Philosophen: »Ohne Du ist das Ich unmöglich« erkannte Friedrich Heinrich Jacobi 1875 (Moeller 1990). Der Partnerschaftsexperte Michael Lukas Moeller liebte große Titel, wie das altfranzösische Sprichwort, das die Liebe nicht ohne Freiheit sieht. Er nannte ein anderes seiner Partnerbücher nach dem Zitat von Nietzsche »Die Wahrheit beginnt zu zweit« (1992). Der Partner ist mehr als ein Spiegel, sogar Hebamme der eigenen Persönlichkeit, oft gar auch noch jahrzehntelang deren Coach.
Heute vermittelt u. a. der Glücksforscher Tal Ben-Shahar diese Weisheiten in seinen als spektakulär goutierten und entsprechend begehrten Glücks-Kursen an der Universität Harvard: »Die Person, die mich wirklich mehr als alles andere liebt, möchte,
dass ich mein inneres Selbst ausdrücke, und sie wird mir dabei helfen, die Qualitäten zu leben, die mich zu der Person machen, die ich wirklich bin« (Ben-Shahar 2007). Er erinnert dabei an den Psychologen Winnicott, der bereits vor Jahrzehnten empirisch herausfand, dass die Kreativität bei Kindern messbar größer ist, wenn diese die unmittelbare Nähe ihrer Mutter spüren. Die bedingungslose Liebe der Mutter erlaubt den Kindern, ihre Neugier zu verfolgen, Risiken einzugehen, Kreativität zu
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