Paarweise
natürlich nicht vergessen. Frauen verzeihen, aber sie vergessen nicht. Auch in diesem Fall. Ihrem Vertrauen war die Unschuld geraubt worden. Die gemeinsame Aufgabe bestand nun aber trotz des gebrochenen Vertrauens darin, weiterhin miteinander leben zu wollen und das auch zu können. Vertrauensbildende Maßnahmen hatte er mehrfach bereits versucht. Allerdings war er nicht geduldig lange drangeblieben. So entwickelten sie unmerklich ein gespenstisch asexuell-tolerantes Miteinander-den-Alltag-Verbringen. Ein armseliges, verkrampftes und vorsichtiges Vor-sich-hin-Leben. Beide kamen nach einem ausführlichen Gespräch über die Unzufriedenheit ihrer Situation zu mir − mit dem verbindenden und parallel auf mich gerichteten Blick der Hoffnung auf Erlösung.
Wie erwartet entpuppte sich sein damaliger Seitensprung als Ausdruck einer unüberbrückbaren Kluft ihrer Verschiedenartigkeiten, die beide als fremd, bedrohlich und letztlich sogar kränkend gewertet hatten. Im gemeinsamen Gespräch drehten wir uns nach einem konstruktiven Anfang bald zunehmend im Kreis. Sie forderte immer noch mehr Wiedergutmachung von ihm, er konnte tun, was er wollte. Es reichte ihr nicht. Durch die lange Zeit zwischen ihrer Verhärtung und dem Beginn der Beratung hatten sich beider Muster bereits so etabliert, dass er ihre Vorwürfe empfangsbereit fast im Sinne eines vorauseilenden Gehorsams bereits ahnte und bediente, allein wenn sie ihre Arme verschränkte und mit zurückgelehntem Oberkörper ein kaum vernehmbares aber für alle unüberhörbares
selbstmitleidbeladenes Seufzen ausstieß, das für diesen Tag jegliche Hoffnung auf eine Gesprächsklimawende sterben ließ. Mit diesem Muster durfte es nicht weitergehen. Ich fragte sie, ob sie das Wort »Übertrag« bei einem Kassenbuch oder einer Bilanz kennen würden, wenn man die unterste Zahl am Ende eines Blattes auf das neue, frische, nächste Blatt überträgt. Sie folgten mir bei der Vorstellung, man habe Minus drei Millionen zu übertragen. Dann kommt ein warmer Regenschauer in Form unerwarteter Fünfzigtausend Plus auf das Konto. Nun waren es nur Minus zwei Millionen und neunhundertfünfzigtausend. Numerisch weniger Minus, gefühlt aber keine Änderung. Ich machte jetzt folgenden Vorschlag: Ich gab zur Auswahl, was sie am liebsten als Begriff wählen würden, um statt eines Übertrags einen Beschluss zu fixieren, der das neue, unschuldige, frische, weiße nächste Blatt oben mit einer Null beginnen ließ. Das ist nur möglich, wenn man vorher, und jetzt kommen die Begriffe zur Auswahl, eine Privat-Insolvenz wagt, eine Art Amnestie, Tabula Rasa vornimmt. Die beiden wählten den Begriff »Reset«, den Zähler auf Null stellen, mit diesem Begriff hatten sie vermeintlich dasselbe Modell im Kopf. Als Synonym für den Neustart ihrer Partner-Kommunikation. Und wenn nun die Fünfzigtausend geflogen kommen, das können nun Euros sein, wohl aber auch Energieeinheiten, Minuten des Glücks, Liebesmomente, Hoffnungs-Strahlen (mehr als Schimmer), Gefühlseinheiten, Vertrauens-Bausteine, Fasern ihres Beziehungsbands, ist es eindeutig ein Gewinn.
Beide beschlossen gemeinsam, dieses Ziel zu verfolgen. Wissend, dass der Dämon der eingeschlichenen Gewohnheiten ihr Interaktionsmuster, wo es auch nur ging, sabotieren könnte und vermutlich
auch würde. Aber dank ihrer Intelligenz und ihres Humors, ihrer entwickelten Meta-Sichtweise und ihrer gemeinsamen Sehnsucht, ihre Beziehung auf ein neues Intensitäts-Niveau zu heben, blieben sie dran. »Dranbleiben und Geduld haben«, eins meiner Lieblingsmottos. Und sie waren erfolgreich, durch bewussten Verzicht auf das reflexhafte Reagieren und Bewerten und stets mit dem Vorsatz, sowohl planerisch als auch im situativen Augenblick das Ziel nie aus den Augen zu verlieren: dem anderen das Leben ein bisschen zu verschönern und damit die Beziehung mit spürbar mehr Liebenswürdigkeit und Leichtigkeit aufzuladen.
Vom Kampf der Geschlechter zum Tanz der Geschlechter
Beide Partner sind oft taumelnde Amateure, wenn es darum geht, eine zeitgemäße Partnerschaft zu führen. Führen, wie man sein Leben, ein Geschäft, eine Gruppe, ein Team, ein Pferd, ein Schiff, eine Mannschaft, eine Belegschaft, eine Firma führt.
Daher ist ein Umdenken nötig: vom Kampf der Geschlechter zum Tanz der Geschlechter . Mann und Frau tanzen zusammen auf der Bühne des Lebens, wie Shakespeare es poetisch ausdrückt.
»Die ganze Welt ist Bühne. Und alle Frau’n und Männer bloße Spieler. Sie
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