Paarweise
treten auf und gehen wieder ab.« (Aus: »Wie es Euch gefällt«.)
Keine Angst – die Männer müssen nicht tanzen, wenn sie nicht wollen. Ebenso wenig wie Frauen heute und in Zukunft
etwas machen sollten, was sie nicht auch wollen. Vielmehr dient der Tanz hier nur als Bild für die mögliche Formation der Geschlechter in der neuen Partnerschaft.
Stellen wir uns einen Tanzsaal vor, nehmen wir einen Ball, oder gehen wir gedanklich auf eines der semiprofessionellen TV-Tanzturniere. Wir sehen Frauen in Abendkleidern, geführt von Herren in schwarz und weiß, die die Frauen leiten, führen, halten, stützen, drehen, werfen, auffangen. Der Mann macht verlässliche Vorgaben, die Frau folgt, führt die angebotene Bewegung aus und beginnt mit einer akrobatischen Form, die er mit seiner Kraft und Technik ermöglicht. Zusammen wird das Tanzpaar getragen von der Musik, die ihm den Rhythmus und die Geschwindigkeit vorgibt, den Takt und die Struktur. Ein tanzendes Paar erschafft mehr, als die Summe seiner Teile erschaffen könnte, ein synergetisch gelungenes Etwas, das beide vereint und erfüllt zugleich – und die Umwelt zur Bewunderung hinreißt.
Und wie es ihr gefällt, von ihm geführt zu werden – wenn er es kann, und wenn er so führt, dass es ihr guttut. Meine These ist: Die souveräne Frau möchte von einem souveränen Mann geführt werden, aber sie zeigt ihm auch, wie sie es will. Er nimmt das Feedback an und erfährt ihren Respekt. Ihm fällt das leicht, und er hat Freude daran. So führt die kluge Frau ihn auf ihre Weise. Die Folge: Beide erfahren ihren einmaligen Rhythmus miteinander, womit sie eine ausgeglichene Partnerschaft führen können. So könnte man auch sagen, Partnerschaft heißt: Muster erkennen und diese synchronisieren.
Übertragbar ist dieses Muster ebenso auf den sexuellen Bereich. Auch hier kommt es auf ein gemeinsames kooperatives Zusammenspiel an. Ein beeindruckendes Lehrstück in improvisierter Synchronisation ist das Stück Lily was here , wo das Gitarrengenie Dave Stewart die Melodie vorgibt, die seine Bandpartnerin Candy Dulfer dann mit ihrem Saxophon echohaft nachspielt, bis sie sein System, seine Grundmelodie, seinen Rhythmus erkannt hat, sich einklinkt und anfängt zu improvisieren. Sie wird im Schonraum seines vorgegebenen Rahmens kreativ und fährt ihr Saxophonspiel zu artistischen Spitzenleistungen hoch, die dem Zuhörer Schauer über den Rücken laufen lassen. Oder aber – ohne Dave Stewart – die begnadete Saxophonistin als Protagonistin. Auch hier die gigantische Ereigniskette als Folge eines Mann-Frau-Spiels voller Nähe und Distanz, Harmonie und Eigensinn, erotischem Locken, gefundener Symphonie: Candy Dulfer nimmt sich einen Spitzen-Gitarristen, hakt sich bei ihm ein, unterwirft sich ihm spielerisch, um von ihm geführt zu werden. Angekommen in einer starken dynamischen Geborgenheit wird sie stark und nutzt diesen Rahmen.
Der Tanz war eine kluge kulturelle Erfindung: So konnte man sehen, wie der andere sich bewegt, wie er riecht, wie er sich anfasst, wie er einen berührt und wie er sich berühren lässt, wie er sich verwandelt oder verwandeln lässt, wenn es zur Begegnung kommt. Beim Tanzen also kann man sich und den anderen besser kennenlernen. Man erfährt aber auch, dass etwas zu zweit mehr Freude macht als allein.
Nicht umsonst empfahl Augustinus von Hippe den Tanz – und zwar aus mehreren Gründen: »Ich lobe den Tanz, der alles fordert
und fördert – Gesundheit und Klarheit im Geist sowie eine beschwingte Seele. Tanzen verwandelt den Menschen, der ständig Gefahr läuft, ganz Hirn, Verstand und Wille zu werden. Der Tanz hingegen fordert den Menschen, der in seiner Mitte lebt und ankert. Der Tanz fordert den bereiten, den schwingenden, den ausgeglichenen Menschen, den Menschen im Gleichgewicht seiner Kräfte. O Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen« (Tenzer 2011).
Erkenntnisse über das Tanzen
Warum sollen Paare tanzen, speziell Tango tanzen? Diese Frage beschäftigte die Psychologin Cynthia Quiroga Murcia nicht nur angesichts des Tanzkurs-Booms. Als Kolumbianerin war sie auch überrascht darüber, wie wenig Bedeutung dem Tanz in Deutschland als Freizeitunterhaltung zugeordnet wird.
In ihrer Dissertation hat sie drei Wirkungen, die beim Tanzen eintreten können, beschrieben, wobei sie mit dem Stresshormon Cortisol beginnt: »Erstens, die Reduktion des Cortisols im Blut ist vor allem der Musik zu verdanken.
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