Paarweise
aber was zählt, ist die Kompetenz. Nicht Macht-Autorität, sondern Kompetenz-Autorität gibt demjenigen die jeweilige Vormachtstellung, der auf dem entsprechenden Gebiet erfolgreicher ist. Die Natur macht es uns vor, denn nur auf diese Weise kann ein Kind entstehen. Es gibt nichts Stärkeres als ein gutes Paar. Getreu dem Motto, das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile (Aristoteles).
Beispiel
Was ist wertvoller, die Ackerkrume oder die Pflugschar? »Wahrscheinlich die Pflugschar«, sagt der, der vor einem ungepflügten Feld steht und arbeiten will. »Oder kann man mit einer Ackerkrume pflügen oder den Boden bebauen?« »Natürlich ist die Ackerkrume wertvoller«, sagt der Theoretiker, »die Pflugschar ist doch nur totes Material, ersetzbar. Aus der Ackerkrume aber wächst die Frucht, das Leben.«
Wieso fragt man sich oft, was wertvoller ist als das andere? Kommt das von unserem letztlich destruktiven Entweder-oder-Denken? Hier wird die Polarität deutlich. Und die Notwendigkeit, dass beide Seiten, »Ackerkrume und Pflugschar«, zueinander gehören: Das eine ohne das andere kann nichts erreichen. Ich glaube, dass die Zeit reif ist für Synthesen, dass wir uns lösen müssen von Trends oder Definitionen wie »der Mann sei so« oder »die Frau sei so«. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht: Viele Männer wie Frauen sind bereit, auf Augenhöhe konstruktiv ins Gespräch zu kommen. Sie wollen herausfinden: Inwiefern sind wir eigentlich so sehr unterschiedlich voneinander? Wie siehst du die Welt; wie sehe ich die Welt? Wie können wir die verschiedenen Sichtweisen dem anderen so vermitteln, dass es tatsächlich eine gegenseitige Bereicherung darstellt? In welchen Bereichen sind wir einander ähnlich, ja fast identisch, und wo sind wir verschieden voneinander? Die Diskussion über die verschiedenen Erfahrungen macht die Partnerschaft würzig. Beide lernen, dem anderen sein subjektives Anders-Sein lassen zu können und zu akzeptieren, dass er ist, wie er ist.
Zur Beziehung von Schein und Sein
Soll man alles sagen, teilen, miteinander tun? Sicher nicht. Anziehung setzt gegenseitige Spannung voraus, und Spannung ist erst dann möglich, wenn ein gewisses Maß an Gegensätzlichkeit und Polarität, an Widersprüchlichkeit und Geheimnis vorhanden ist.
So ist ein Lächeln erotisch aufregender, wenn es aus einem Mund mit gesunden Zähnen kommt. Die Werbung für Herrenartikel zeigt Model-Hände und keine mütterlichen Hände. Es reizt erotisch, an seiner Seite einen Partner zu sehen, »den man gezähmt hat«, der potentiell unnahbar erscheint, seine »Krallen und seine Beißwerkzeuge« zeigt, aber nicht angreifen wird. Das gibt einem das Gefühl von Stärke und Dominanz, von Geliebt- und Beschützt-Werden.
Fragt man sich, welcher Flirt-Partner am meisten reizt, kommt man auf die folgende Antwort: Es ist der Geheimnisvolle und Unnahbare, der für alle anderen unerreichbar ist. Jemand, der sich nur für einen selbst interessiert und einem damit signalisiert, dass er die einmaligen Besonderheiten der eigenen Existenz, wie man sie subjektiv für sich empfindet, entdeckt hat und als solche zu schätzen vermag. Schein und Sein ist in der Natur nicht, wie einige Naturanhänger denken mögen, identisch. Es geht mir nicht um das Beklagen einer in der menschlichen Kultur so verbreiteten Doppelmoral, die sich in dieser Verlogenheit in der Natur nicht findet. Es geht mir darum aufzuzeigen, dass ein gewisses Maß an Unterschiedlichkeit von Schein und Sein die Effizienz der Natur tatsächlich stark erhöhen kann. Deutlich wird das zum Beispiel am Phänomen Mimikry: ein Lebewesen
versucht zu vermeiden, als solches erkannt zu werden. Dieses Phänomen haben wir bei Pflanzen, die sich als Tiere tarnen ebenso wie bei Tieren, die sich als Pflanzen tarnen, oder bei den Tieren, die sich als anderes Tier tarnen.
Die zweite Art, wie die Natur zwischen Schein und Sein unterscheidet, bezieht sich nicht auf die Angst vor Feinden, sondern auf das Anlocken der Geschlechtspartner. Vor allem bei Vögeln können wir beobachten, dass sie sich aufplustern, um damit vorzugeben, stärker zu sein, als sie sind. Der Pfau z. B. schlägt bekanntlich sein Rad, dessen Federn aber interessanterweise auch nur auf der sichtbaren Seite gefärbt sind!
Die Natur spart wie der Kulissenmaler am Theater, der auch nur die für das Publikum sichtbaren Seiten bemalt. Natürlich könnte man einwenden, die Natur sei vollkommen unschuldig. Die Blumen würden
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