Paarweise
sich nur deshalb so schön färben und nach oben recken, um von den Insekten durch die Farben auch entdeckt zu werden. Wissen wir, ob die Insekten nicht auch gerne zu den schönen Blumen fliegen? Woher soll es sonst kommen, dass die Blumen sich dahin entwickeln, dass sie auch dem menschlichen Auge gefallen? Sie wollen nur befruchtet werden, sagt der Biologe. Sie wollen gefallen, sagt der Dichter. Beide haben Recht. Wenn es um die Effizienz geht, ist beinahe alles erlaubt.
Was passiert im Laufe einer menschlichen Beziehung? Wenn jemand selbst keine Freude daran empfindet, seine Attraktivität zu entfalten und dies nur »für den Partner tut«, um ihn eventuell dadurch zu begeistern und einzufangen, oder wenn er es nur für den anderen tut, ohne selbst Gefallen daran zu finden, dann wird er genau das im Laufe der Beziehung auch
wieder sein lassen. Denn er hat sein Ziel erreicht, ist nicht mehr allein, hat jemanden gefunden, der bei ihm lebt. Wenn diese neurotische Haltung tatsächlich dominierend war, wird genau das eintreten, was in so vielen Beziehungen zu beobachten ist: Der Partner lässt sich mehr oder weniger gehen; die übertriebene Ess- und Trinklust wird am Bauch sichtbar; er wird sein Stöhnen nicht mehr unterdrücken, wenn er aus dem Sessel aufsteht, sie hält es nicht mehr für nötig, die körperlichen Zeichen der Zeit durch Gymnastik und Körperpflege, durch Kleidung und Kosmetik auszugleichen.
Fallbeispiel
Eine Klientin, gebeutelt von energiezehrenden Symptomen, wollte nicht einsehen, dass sie selbst etwas falsch machte. Sie saß da und fand »die Schuld bei allen anderen«, »vor allem bei ihm«. Während sie sprach, zupfte sie an ihrer Handtasche, strich sich den Rock glatt oder schnippte einen letzten Fussel von ihrer Kleidung. Damit signalisierte sie eindeutig, dass sie frei von Makel gesehen werden wollte, stets peinlichst darauf achtete, korrekt und sauber zu sein. Das heißt: An ihr »konnte es nicht liegen«, sie machte ja alles »richtig«.
Was die Klientin übersah: Wir brauchen neben dem Tun auch das Lassen. Um am Tag aktiv sein zu können, brauchen wir nachts einen guten erholsamen Schlaf. Um in Dialog treten zu können, müssen wir auch schweigen und zuhören. Das Richtige zu tun, kann sich immer nur auf einen selbst beziehen, denn der andere meint auch, es richtig zu machen, obwohl sein Handeln vollkommen anders aussehen kann. Ich wollte ihr auf eine möglichst wenig kränkende Weise zeigen, dass ihr Schatten,
ihre Negativseite zu ihr gehört wie zu jedem lebendigen Menschen. Auch sie atmet verbrauchte Luft aus, nachdem sie aus der frischen Luft den Sauerstoff gewonnen hat. Auch sie isst und scheidet überflüssige Stoffwechselprodukte wieder aus.
Ich bat sie, sie möge sich vorstellen, unter dem Skalpell eines Chirurgen zu liegen, der für eine Notoperation ihre Bauchdecke öffnen muss und in ihren Gedärmen Kot vorfindet. Sie wurde verlegen. Ich sagte ihr, dass sie jetzt genau den Punkt erreicht hätte, den sie immer vermieden hatte. Sie möge sich einmal mit dem Gedanken vertraut machen, dass sie zwar hinter dem Ohr nach dem Parfüm, unter den Achseln nach diesem Spray und in ihrem übergepflegten Intimbereich nach jenem Spray riechen würde, sie aber könnte nichts daran ändern, dass sie in jedem Augenblick ihres Lebens im Darm übelriechenden Stuhl mit sich herumtrage. Wenn das nicht so wäre, wäre sie tot, denn Stoffwechsel ist das Kennzeichen für einen lebenden Organismus.
Wie sie mir später gestand, wurde meine etwas drastische Darstellung für sie zu einer Art Schlüsseleinsicht. Im Laufe der nächsten Sitzung wurde ihr klar, weshalb sie in Situationen mit Mitarbeitern oder Partnern immer wieder an den gleichen Stellen Schwierigkeiten hatte, wenn sie einfach nicht zulassen wollte, dass jedes Ding einen Schatten wirft, oder anders gesagt, dass Sein und Schein zusammengehören. Selbstverständlich ist das Wohlriechende dem Übelriechenden vorzuziehen, doch beides gehört zum Leben.
Und auch dieses beginnt mit der Selbstakzeptanz: Wenn man sich selbst gefallen kann, wird man mehr Selbstvertrauen ausstrahlen und damit erfolgreicher sein. Wenn andere einen so mögen, wie
man ist, wird man daraus Energie tanken, Wärme beziehen, Lebensfreude teilen – ein Regelkreis mit dem natürlichen Ziel, gegenseitigen Austausch möglichst effizient zu gestalten. Es ist erstaunlich: Obwohl die Menschen mehr denn je Geld, Mühe und Zeit investieren, eine positive Wirkung zu erzielen,
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