Paarweise
bleiben zwei eingeschränkte Bereiche außerhalb. Auf diese Konten zahlt das Paar die Zeit ein, die es vollkommen
»egozentrisch« im Schlaf verbringt – immerhin ein Drittel unseres Lebens. Dazu hat jeder Alltagsverrichtungen oder eine Arbeit, darüber hinaus eigene Kontakte und Interessen, persönliche und intime Gedanken und Gefühle, die er nicht mit dem Partner teilt. Und auch nicht teilen sollte, wenn ihm dieses nicht Bedürfnis ist.
Beispiel: Ein Abend für mich, ein Abend für uns
Unsere Kultur macht es uns leicht, eine gewisse Struktur im Ablauf des Lebens zu erkennen und zu leben. Wir haben Ferien, Feiertage, und die unterschieden in Werktage und Wochenende.
Wie diese mit Leben zu füllen sind, bleibt selbstverständlich jedem einzelnen Paar überlassen. Doch haben sich in meiner Praxis zwei Besonderheiten bewährt. Einen Abend definieren viele Paare als ihren »gemeinsamen Abend«, an dem sie gezielt etwas unternehmen und sich als Paar zelebrieren, aber auch über ihre großen und kleinen Bedürfnisse, Ängste und Sehnsüchte sprechen, eben über das, »was sie am meisten bewegt«, wofür im meist von Sachzwängen gesteuerten Alltag kaum Zeit bleibt, keine Muße dafür aufkommen kann.
Und ein weiterer Abend wird ohne den Partner verbracht, aber das auf eine beziehungsverträgliche Weise. Sie geht z. B. zum Frauenstammtisch und er zum Sport. Oder sie zum Sport und er zum Stammtisch. Aber beide am selben Abend, so dass jeder allein etwas unternimmt, ohne dem anderen zu fehlen. Man trifft sich später dann zuhause, erzählt vielleicht noch kurz das Wichtigste, bevor man, noch angetan von den Eindrücken außerhalb der Beziehung, gemeinsam einschläft.
Jeder hat also sein eigenes Konto, und zusätzlich zahlen beide auf ihr gemeinsames Konto ein – Zeit, Energie und das Geld, wovon das partnerschaftliche Zusammenleben bestritten wird.
Mit ihrem Roman »Ein eigenes Zimmer« sprach vor über 100 Jahren die Schriftstellerin Virginia Woolf Millionen Frauen aus der Seele: Ein eigenes kleines Reich für sich haben, in das man sich zurückziehen kann und wo man endlich etwas Ruhe findet. Er wurde zu einem der meistgelesenen Texte der Frauenbewegung. Dabei ging es auch um die Forderung einer finanziellen Unabhängigkeit.
Wenn man etwas großzügigere Möglichkeiten hat, könnte man die für viele Paare optimale Verteilung symbolisch wie folgt darstellen:
Die Klammern, die das Paar zusammenhalten
Der Halbkreis unter den Kreisen symbolisiert die Klammern, die das Paar schützen, es halten oder helfen, es zusammenzuhalten. Das kann der gemeinsame Name sein, dieselbe Adresse, eine Heirat oder ein ähnliches Ritual. Hilfreich ist hier
alles, was vermittelt, dass man ein Paar ist, sodass man von der Umwelt auch als Paar gesehen und so behandelt wird. Die Signale nach außen haben zusätzlich eine starke Wirkung auf das Paar nach innen, was wahrscheinlich sogar noch viel wichtiger ist: Weil man von allen als Paar erlebt wird, fühlt man sich noch bewusster bestätigt darin, dass man auch ein Paar ist. Die täglich mehrfach stattfindenden Bestätigungen wirken affirmativ: Ihr seid jetzt zusammen, wir gehen davon aus, dass ihr auch zusammen bleibt. So wird das Paar beständig von außen in seinem Status bestätigt.
Das Investment-Modell
»Geronnene Investitionen« nennt die Wissenschaft die Elemente, die eine Klammer um das Paar darstellen. Dazu gehören gemeinsame Kinder, gemeinsamer Besitz, Name, Wohnsitz, Freundeskreis. Diese Gemeinsamkeiten sind meist die Folge von Investitionen, die sie und er miteinander verfolgten. Diese Investitionen demonstrieren in Form sichtbarer Symbole die Bereitschaft beider, sich der Partnerschaft verpflichtet zu fühlen. Gleichzeitig wirken sie stabilisierend auf die Beziehung und nähren die Frustrationstoleranz, die Resilienz (Stressbelastbarkeit) und Kompromissbereitschaft beider, womit die Partnerschaft trotz Entfremdungsmomenten, Missverständnissen, Streits und Turbulenzen etc. aufrechterhalten werden kann. Diese Verpflichtung in die Partnerschaft ermöglicht es, eventuelles destruktives Verhalten des Partners durch eigenes konstruktives Verhalten abzufedern. Im Zuge dieser Commitment-Dynamik werden dann eigene
Interessen zugunsten des Gelingens der Partnerschaft hintangestellt, attraktive Alternativen abgewertet, dafür die eigene Beziehung im sozialen Vergleich als überlegen wahrgenommen (Schneewind/Wunderer 2003).
Was das Paar jetzt noch braucht ist etwas Drittes, das
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