Paarweise
Männliches und Weibliches integrierte und lebte. In der Schule von Frauen und Kindern hat Jesus eine kinderleichte Theologie gelernt und dann gelehrt, die das Gegenteil dessen ist was das Christentum bis heute war. Der wirkliche Jesus ist der exemplarische Mensch, der uns einen Weg zu unserem Selbst zeigt, einen Weg aus unseren persönlichen Sackgassen« (Alt 1989).
Diese Spezies ist jedoch nicht weit verbreitet. Die wenigen Exemplare sind also rasch vergeben. Und was die gebundenen unter ihnen angeht, kann man sie, nachdem sie dazu neigen, treu zu sein, auch nur sehr zäh »abwerben«. Doch ihre Haltung steckt an. Auch Freunde, Nachbarn, Kollegen etc., gerade weil die Frauen so sehr von ihm schwärmen, dass sich männliche Betrachter nicht selten fragen: Was hat der, was ich nicht habe? Und da wird offensichtlich, was heute und in Zukunft zählt: Ein Verhältnis der Geschlechter, das von Respekt, Empathie und Toleranz geprägt ist. Eine Kommunikation, die jedem sein Eigenleben lässt und dennoch mehr aus dem anderen macht, eine Interaktion, die synergetisch hochgradig zur Realisierung der gemeinsamen Visionen mobilisiert.
Dieser Typ Mann wie auch die o. g. »Souveräne« gelten als innengeleitet statt außengeleitet. Sie leben internal statt external, so nennt das die Psychologie.
Fallbeispiel: Reifung durch eine »Domina«
Nach außen hin schien alles in Ordnung. Doch er hatte eine Freundin, nach zwölf Jahren Ehe. Wie konnte das passieren? Sie hatten doch alles. In der Paarberatung betonte er, dass er darüber selbst verwundert sei.
Dabei hatte er mit seiner Freundin nicht einmal Sex. Im Vordergrund standen Gespräche, Zuhören, Nähe, Gleichklang, Leichtigkeit und Humor. Sie gab ihm das Gefühl, wichtig zu sein, helfen zu können, bewundert, gelobt zu werden etc., was er als »einfach schön« empfand.
In einem Einzelgespräch erfuhr ich von ihm, dass es sich tatsächlich um zwei völlig verschiedene Arten von Beziehung handelte. In seinen Augen war es kein Betrug, er nehme seiner Frau nichts weg, betonte er. Das sah seine Frau ganz anders. Gefühle, Gedanken und Zeit nehme er ihr weg, indem er sie mit der anderen teilte und nicht mit ihr. Sie habe versucht, ihm die ganzen Jahre den Rücken frei zu halten, ihn nicht zu belasten, sondern eigenständig zu bewältigen, was ihr möglich war. Und nun kam da eine Fremde, die seine ganze Sorge und Zuwendung erhielt, weil sie »auf hilfloses Weibchen macht«, wie sie es ausdrückte.
Bei meiner Analyse musste ich die Frau aufklären, was unbewusst hinter seinem Verhalten steckte: Es war im Wesentlichen die Exkulpation von Verantwortung, denn die neue Frau lieferte ihm täglich die Chance, zum Helden zu werden. Er half ihr bei Behördenproblemen,
bei heiklen Korrespondenzen und Verhandlungen. Zudem musste er sie finanziell retten, und das nicht mal mit kleinen Summen. Natürlich »musste« er all dies objektiv nicht. Er war lediglich in den Sog einer raffinierten Frau geraten, die ihn zeitlich, energetisch und finanziell ausnahm.
Warum klammerte sich der Mann so an diese Frau? Er benahm sich, als sei er – fast hypnotisch – ferngesteuert von ihr. Im Laufe mehrerer Sitzungen erklärte ich der Ehefrau den Mechanismus. Hier lief ein unbewusstes Muster ab: Es war die Befreiung von einer Selbst-Verantwortung. Weil sie ihn so auf Trab hielt, war er so damit beschäftigt, ihre Wünsche emsig zu erfüllen, dass er ganz vergaß, was er eigentlich wollte, wo sein Platz eigentlich war. Die Freundin hatte da angedockt, wo früher eine überstarke Mutter stand, die ihm gesagt hatte, was er zu tun hatte, um ein guter Sohn zu sein.
Dieses Muster hatte seine Ehefrau indes nie bedient. Sie hatte ihn vielmehr immer als erwachsenen und autonomen Menschen behandelt und gesehen. Die Freundin allerdings nutzte die unreife neurotische Kerbe aus – und er funktionierte wie der Hase vor der Schlange.
Mein Anliegen war, dass er – allein und mit ihr gemeinsam – an der Auflösung seiner Kompensation arbeitete. Doch dazu musste er motiviert werden. Er brauchte die Vision, Ähnliches mit seiner Frau zu erleben. Ich benutzte ein Bild, das die Ehefrau überzeugen sollte: Ihr Mann habe eine Art Domina gefunden, die ihm Opfer abverlangt und ihn für sein artiges Verhalten lobt. Da meinte sie, mit einer Art Rollenspiel könnte sie diese Funktion auch erfüllen: »Ja wenn er wirklich so was braucht, der kann schon zum Frühstück
eine Schelle (Ohrfeige) haben.« Ganz so hatte ich das
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