Pacific Paradise - Boone Daniels 2
»geologisch aktives Gebiet«. Kein Scheiß, denkt Boone, als er den Ort des katastrophalen Ereignisses passiert – ein ganzes Stadtviertel fällt einfach so in ein Loch, aktiver geht’s ja wohl nicht.
Vielleicht wussten die Native Americans etwas, das wir nicht wissen.
Zum Beispiel, dass man auf einem Loch keine Häuser baut.
Er biegt links ab und fährt auf »Rockpile« zu, ebenfalls ein Beleg der geologischen Hyperaktivität dieses Landstrichs.
Der Felsen, der dem Break seinen Namen gibt, besteht aus einem Haufen rötlicher Gesteinsbrocken – inzwischen weiß gefärbt vom Möwenschiss –, die sich irgendwann in finsterer Vergangenheit von der Klippe lösten und ins Wasser fielen. Wie durch jedes andere feste Gebilde im Ozean entstand auch hier etwas, an dem sich Wellen ›brechen‹, in diesem Fall ein ausgezeichneter linksgerichteter Break, ebenso attraktiv für die spirituellen Nachkommen von Ellen Browning Scripps wie für Surfer.
Rockpile wird also von zwei sehr unterschiedlichen Sorten Mensch aufgesucht: Kunstbegeisterten Damen mit vernünftigem Schuhwerk und großen Hüten, die mit Staffeleien, Leinwänden, Öl- und Aquarellfarben anrücken, und außerdem von Surfern. Normalerweise führen sie eine friedliche Koexistenz, denn die Malerinnen bleiben meist oben auf den Klippen und die Surfer unten im Wasser.
Probleme gibt’s nur beim Parken.
Im Prinzip liegt Rockpile in einer engen Schlucht zwischen zwei vorgelagerten Felsen, so dass nur eine schmaleStraße dorthin führt, an deren Ende sich direkt am Strand ein kleiner Parkplatz befindet. Auf diesen passen natürlich nur eine begrenzte Anzahl von Autos, was in jüngerer Zeit für Ärger gesorgt hat.
Die Einheimischen kennen ihre jeweiligen Schlitten und wenn ein fremder Wagen mit Boardträger dort parkt, könnten Fahrzeug und Fahrer Probleme bekommen. Autos ohne Aufsatz werden in der Regel geduldet, weil die Locies davon ausgehen, dass sie Malerinnen gehören, die ihnen keinen wertvollen Platz draußen am Break stehlen. Tatsächlich sind einige der Künstlerinnen schon dazu übergegangen, Pappschilder mit der Aufschrift »Ich bin Künstlerin« hinter ihre Windschutzscheiben zu klemmen.
Boone tut nichts dergleichen. Er parkt den Deuce im Sand an der Straße, geht nach hinten, zieht sein altes zweimeterfünfundachtzig langes Balty Long Board heraus und lehnt es seitlich an den Van. Während er sich bis auf seine Surfershorts auszieht, begutachtet er die anderen Wagen. Trotz der Location scheint es sich um eine ziemlich prollige Klientel zu handeln, neben zwei BMWs und einem Lexus stehen hier vor allem Fords, Chevys und Toyotas. Und wohl auch um eine ziemlich junge, Aufkleber von Metalbands finden sich an zahlreichen Heckscheiben. Außerdem auch weniger freundliche Sticker wie »Wenn du hier nicht wohnst, surf woanders«, »Schutzgebiet« und »Nur für Stammgäste«. Reizend, denkt Boone, schultert sein Board und trägt es zum Strand. Sehr freundlich.
Rockpile ist wunderschön, keine Frage. Boone kann verstehen, warum man dort malen, surfen oder einfach nur abhängen möchte. Einfach nur abhängen ist allerdings auch das Einzige, was einem Surfer heute übrigbleibt, weil es so gut wie keine Wellen gibt, aber ein paar Jungs sind trotzdem draußen an den Felsen, sitzen auf ihren Boards und warten darauf, dass etwas passiert. Und mustern den Neuling, derins Wasser steigt. Sie sind ungefähr zu zehnt, sitzen alle aufrecht auf den Brettern und beobachten Boone, der auf sein Board springt und rauspaddelt.
Boone steuert nach rechts, auf die Shoulder zu, beziehungsweise dorthin, wo die Shoulder wäre, wenn es genug Wellen für eine Shoulder gäbe. Das ist Surferetiquette – er peilt das Ende des Line-up an und überquert nicht die Welle, falls jemand Glück haben und doch noch eine erwischen sollte. Damit zeigt er, dass er Manieren hat und weiß, was er tut, aber vor Rockpile reicht das offenbar nicht.
Einer der Surfer löst sich aus der Reihe und paddelt ihm entgegen.
Boone hört auf zu paddeln, als der Typ näher kommt, und nickt ihm zu. Der Surfer sieht aus wie Mitte zwanzig, ist stark tätowiert und hat kurze Haare. Eines seiner Tattoos stellt einfach nur eine »5« dar, was Boone nicht kapiert, ansonsten hat er die üblichen keltischen Knoten, Stacheldraht und so weiter.
»Was geht?«, fragt Boone.
»Was geht?«, fragt der Surfer zurück. »Du bist neu hier, Alter, oder? Ich glaub, ich hab dich hier noch nicht gesehen.«
Boone lächelt. »Bin
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