Pacific Paradise - Boone Daniels 2
nur«, beharrt sie, »wenn der Mord eine direkte Folge besagter krimineller Aktivität ist oder aber zu deren Durchführung dient. Es darf nicht nur ein lediglich zufälliger Zusammenhang bestehen.«
Boone fragt sich, was Kellys Hinterbliebene wohl davon halten würden, dass seine Ermordung »lediglich zufällig« stattfand, behält den Gedanken aber für sich. »Wir müssen also herausfinden, ob die Rockpile Crew außer in gewalttätig ausgetragene Gebietsstreitigkeiten noch in andere Sachen verwickelt war, sagen wir mal Drogenhandel oder so.«
»Genau«, sagt sie. »Wobei es vermutlich nicht verkehrt wäre, herauszufinden, ob diese ›Locies‹ – nennt man die so …«
»Ja.«
»… von der Verteidigung ihres Reviers finanziell profitieren«, sagt sie. »Wenn sie zum Beispiel Leute erpressen oder ›Steuern‹ auf den Wassergebrauch erheben, wäre der Tatbestand ›Gang‹ im juristischen Sinne erfüllt.«
Also, denkt Boone, wenn die Rockpile Crew sagt, »du darfst hier nicht surfen«, und das auch durchsetzt, ist sie keine Gang. Wenn sie sagt, »du darfst hier nur surfen, wenn du uns zwanzig Tacken gibst«, und das durchsetzt, dann schon. Paragraphen muss man einfach lieben.
Was ist mit den großen Fünf-Sterne-Hotelketten, die den gesamten Küstenstreifen aufkaufen und alles dransetzen, die Öffentlichkeit von »ihren« Stränden fernzuhalten? Gelten die laut Gesetz auch als Banden?
Sollten sie eigentlich.
Tun sie aber bestimmt nicht.
Er fragt: »Was sagt Corey dazu?«
»Ich weiß es nicht«, sagt sie. »Komm, wir fragen ihn.«
Corey ist einer, den man gleich auf Anhieb nicht leiden kann.
Schon um Zeit zu sparen.
Er sitzt zusammengesunken in seinem orangefarbenen Overall auf dem Stuhl im Verhörraum und sieht weder Boone noch Petra an. Er ist dünn und blass, aber seine Schultern sind breit, der Bizeps dick, sein Schädel rasiert und er schaut mürrisch und abweisend.
»Corey«, sagt Petra. »Das ist Mr. Daniels. Er ist hier, um uns bei Ihrem Fall zu helfen.«
Corey zuckt mit den Schultern. »Ich habe nichts zu sagen.«
Boone zuckt mit den Schultern. Klar, jetzt hast du nichts zu sagen. Schlechtes Timing. Hättest besser mal früher auf Marcel Marceau geschaltet.
»Seitdem er seine Aussage aufgeschrieben hat, war nichts mehr aus ihm rauszukriegen«, erklärt Petra Boone. Sie wendet sich wieder an Corey. »Die Bandbreite dessen, weswegen Sie verurteilt werden können, ist enorm, Corey. Von fahrlässiger Tötung, die wahrscheinlich bereits mit der Untersuchungshaft abgegolten wäre, bis hin zum kaltblütigen Mord ist alles drin. In letzterem Fall blüht Ihnen lebenslänglich ohne Bewährung.«
Corey seufzt, als wäre ihm arschlangweilig, als sei ihm das alles schnurzpiep- und scheißegal, als wäre er so obercool, so absolut abgebrüht und tough, dass ein Mord für ihn keine große Sache ist. »Ich habe nichts zu sagen.«
»Bitte helfen Sie uns, damit wir Ihnen helfen können«, sagt Petra.
Corey zuckt wieder mit den Schultern.
»Vergiss es«, sagt Boone zu ihr gewandt. »Lass ihn.«
Es sind schon viele Menschen bei dem Versuch ertrunken, einen Ertrinkenden zu retten, denkt er. Und dieser hier ist es nicht einmal wert, gerettet zu werden. Lass ihn.
Petra lässt ihn nicht. »Ihr Vater hat uns engagiert, damit wir …«
Was immerhin einen Funken Leben in ihm weckt. »Hey«, sagt Corey, »wenn Sie meinen Dad glücklich machen wollen, damit er Ihre Rechnungen bezahlt, dann hauen Sie rein. Ich hab nichts damit zu tun.«
»Sie haben sehr viel damit zu tun …«
»Nein«, sagt Corey. »Glauben Sie mir – hab ich nicht.«
Er steht auf.
»Setz dich«, sagt Boone.
»Wollen Sie mich zwingen?«
»Vielleicht.«
Corey seufzt noch einmal, setzt sich dann aber und starrt auf den Boden.
»Erzähl mir von der Rockpile Crew«, sagt Boone.
»Da gibt’s nichts zu erzählen«, sagt Corey, erzählt aber trotzdem drauflos. »Wir surfen, wir feiern, wir prügeln uns. Das war’s auch schon.«
Der Junge redet, als würde er schlechte Hiphop-Texte aufsagen, denkt Boone. »Wird auch gedealt?«
»Nein.«
»Was ist mit dem Muskelpulver?«
»Wie bitte?«
»Verarsch mich nicht, ich bin nicht in Stimmung«, sagt Boone. »Steroide – verkaufst du sie auch oder nimmst du sie nur?«
»Nehm sie nur«, sagt Corey.
»Woher hast du sie?«
»Ich habe nichts zu sagen«, Corey lächelt. Er sieht vom Boden auf und lächelt Petra an. »Lebenslänglich ohne Bewährung? Seh ich aus wie’n stinkender Mexikaner? Bei
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