Pacific Paradise - Boone Daniels 2
wirkt die Erde unbewegt, aber in den allermeisten Fällen ist das ein Trugschluss. In Wirklichkeit befindet sich die Erde unter der Oberfläche in ständiger Bewegung, entweder schnell – wie im Fall eines Erdrutsches – oder unmerklich langsam, so wie bei der Verschiebung der Kontinente über Milliarden von Jahren hinweg. Aber so oder so, die Erde verändert sich ständig.
Was nicht mehr als ein »na und« mit gigantisch großemFragezeichen zur Folge hätte, würden wir nicht alles Mögliche darauf bauen, zum Beispiel unsere Häuser. Die Aufgabe von Grundbauingenieuren wie Phil Schering ist es, uns zu sagen, ob ein bestimmter Untergrund ein bestimmtes Gebäude tragen kann oder ob wir ihn in irgendeiner Form bearbeiten müssen.
In Südkalifornien gibt es jede Menge Grundbauingenieure, weil viele Leute dort Häuser bauen wollen und es sich im Prinzip um eine Wüste handelt, die an einen Ozean anschließt. Was ganz wunderbar ist, es sei denn, man errichtet Häuser und Trabantenstädte, Gebäudekomplexe, Hotels, Straßen und Wege auf den felsigen Klippen, denn Felsklippen bestehen vor allem aus sandiger Erde und Tongestein.
Zum Beispiel der von Boone so geliebte Pacific Coast Highway. Die Bauingenieure mussten, um ihn zu bauen, praktisch den unteren Teil der Felsklippen wegnehmen und lösten damit einen riesigen Erdrutsch weiter oben aus. Wenn man jetzt über den Pacific Coast Highway fährt, sieht man zahlreiche Betonmauern, die verhindern, dass die Felsvorsprünge in den Pazifik rutschen.
Aber der Highway entstand bereits Jahrzehnte vor Beginn des großen, südkalifornischen Baubooms und die Felsvorsprünge überstanden die Folgen dieses Eingriffs. Plötzlich aber wollten immer mehr Menschen auf diesen Felsvorsprüngen wohnen. Häuser und riesige Trabantenstädte wurden gebaut, oftmals viel zu schnell, und die Leute zogen ein.
Menschen brauchen Wasser. Zum Trinken, Kochen, Baden, Waschen, für die Klospülung. Das meiste davon fließt über Rohre ab und hat keinerlei Einfluss auf die Stabilität des Bodens. Aber die Leute wollen auch noch Rasenflächen haben. Rasen besteht aus Gras, das anders als ein Kaktus Wasser braucht. Und zwar Unmengen. Dieselben Menschen, die tranken, kochten, badeten, wuschen und die Klospülung betätigten, fingen also außerdem an, ihre Rasenflächen zusprengen, und dieses Wasser landete nicht im Abfluss, sondern sickerte in die Erde, die aus losem Sand und Tonmineralien besteht. Und weil Wasser nass ist und die hartnäckigste, gemeinste und zerstörerischste Kraft der Welt, lockert es die bereits lose Erdschicht so lange auf, bis die Häuser im Prinzip auf einer Rodelbahn stehen, wobei die Gebäude selbst die Rodel sind.
Sie rutschen weg.
Und wenn sie das tun, reißen Fundamente, Einfahrten, Gehwege und Fassaden, Böden wölben sich, Decken sacken ab, Dachziegel springen (scheinbar) grundlos heraus. Und gelegentlich kippen Häuser und Wohnkomplexe einfach so über die Kante oder verschwinden in Löchern, die sich auf magische Art und Weise urplötzlich auftun.
Womit wir bei einem anderen südkalifornischen Phänomen wären.
Gerichtsverfahren.
Die Leute ziehen vor Gericht – gegen Versicherungsfirmen, Bauunternehmer, Architekten, die Stadt, den Landkreis, gegen einander. Und vor Gericht benötigen sie die Dienste eines geotechnischen Gutachters wie Phil Schering, der bescheinigt, weshalb die Erde unter ihren Häusern, Eigentumswohnungen, Büros oder Hotels »nachgegeben« hat und wer daran schuld ist, d.h. natürlich jemand anders.
Phil Schering ist so etwas wie ein professioneller Sachverständiger. Und davon kann man gut leben, wenn man fünfhundert Dollar die Stunde verlangt. Die Zeit im Zeugenstand ist dabei noch das Geringste – ein Gutachter wie Phil Schering verlangt außerdem Geld für die Auswertung der Unterlagen, die Vorbereitung auf seine Aussage, Besprechungen mit Anwälten –, das Taxameter läuft, mein Freund.
Daher auch das Haus in der Cuchara Lane in Del Mar.
Und soziale Berührungspunkte mit Frauen wie Donna Nichols.
Boone fährt nach Pacific Beach zurück.
Für die Dawn Patrol ist es zu spät.
66
Boone paddelt an den anderen Surfern der Gentlemen’s Hour vorbei, löst die Leash von seinem Fußgelenk und lässt sich von seinem Board ins Wasser rollen, um Schmutz und Müdigkeit einer auf Beobachtungsposten verbrachten Nacht von sich abzuwaschen.
Der Ozean ist zeitlos und deshalb ein großartiger Bewahrer von Erinnerungen, und diese umspülen Boone
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