Pacific Paradise - Boone Daniels 2
er hat nie ein Wort darüber verloren und ist nie in Versuchung geraten, eine blöde Nummer abzuziehen, von wegen »du darfst mich Daddy nennen, Kleines«. Er blieb einfach er selbst – freundlich, sanft, klug und offen.
Alle Eigenschaften, die man sich von einem Vater wünscht.
Jedenfalls hatte Sunny ihre Großmutter, Evelyn, eine Vaterfigur, K2, und besaß außerdem ausgezeichnete Gene, dazu Selbstvertrauen und ihre Liebe zum Meer, und deshalb wurde sie nie wie die neurotischen Mädchen, die aus zerrütteten südkalifornischen Familien stammen, Liebe suchen und dann doch nur eine weitere Generation von neurotischen Mädchen aus zerrütteten südkalifornischen Familien in die Welt setzen.
Sie ging stattdessen surfen.
Sie war eine tolle Geliebte und später eine wunderbare Freundin.
Er erinnert sich an jenen Abend am Strand. Es herrschte Ebbe und dichter Nebel war aufgezogen, und er und sie lagen unter dem Pier und liebten sich, während das Wasser über sie hinwegspülte. Ihr langer schlanker Hals schmeckte salzig, sie presste ihre Hände an seinen Rücken und schob ihn mit ihren langen starken Beinen tiefer in sich hinein.
Danach wickelten sie sich beide in eine Decke und lauschten den kleinen Wellen, die gegen die Pfeiler klatschten, und unterhielten sich über ihr Leben, was sie wollten, was sie nicht wollten und redeten einfach nur Blödsinn, brachten sich gegenseitig zum Lachen.
Boone vermisst sie.
Er schwimmt rüber, hievt sich auf sein Brett, setzt sich drauf und sieht zum Strand.
Auch der Strand ist, wie das Wasser, ein Ort voller Erinnerungen. Steht man dort, sieht man auf den Ozean hinaus und erinnert sich an bestimmte Wellen, Wahnsinnsritte, schlimme Stürze, sehr lustige Unterhaltungen und tolle Zeiten. Sitzt man auf seinem Board im Wasser davor und schaut zurück, erinnert man sich, wie man dort lag und geredet hat, man erinnert sich an Volleyballspiele, Grillsessions,und in der Erinnerung wird es Nacht anstatt Tag, und man denkt an Lagerfeuer, Sweatshirts gegen die Kälte, Gitarren, Ukulelen und leise Gespräche.
Jetzt erinnert er sich an eine Unterhaltung mit K2.
Sie saßen ein Stück vom Feuer weg und hörten, wie jemand Kuhio Bay auf der Ukulele schrammelte, als K2 sagte: »Das Wichtigste im Leben …«
Er hielt inne und setzte hinzu, »… mein Grashüpfer …«, weil er sich gerne über seinen Ruf als Lokalguru lustig machte, »ist, dass man das Richtige tut, im Großen wie im Kleinen, eins nach dem anderen und immer so weiter.«
Boone war nach monatelanger selbstauferlegter Abstinenz, ausgelöst durch den Fall Rain Sweeny, gerade wieder ins Wasser und zum Strand zurückgekehrt. Er war aus dem Polizeidienst ausgeschieden, hatte bei Sunny auf dem Sofa gelegen, bis sie ihn rausgeworfen hatte, hatte sich anschließend bei sich zu Hause versteckt und selbst bemitleidet.
Jetzt war er wieder da, und nur Sunny, inzwischen seine Ex, wusste, dass er nicht ganz wieder da war. Sunny und offenbar auch K2.
Der sagte das einfach so und ließ es so stehen, damit Boone sich daran hielt oder auch nicht.
Aber beide wussten, was er meinte:
Du hast das Richtige getan.
Und, wirst du so weitermachen?
Ja, K, denkt Boone jetzt, und sieht, wie die grelle Augustsonne den nächtlichen Strand seiner Erinnerung verdrängt, aber was ist das Richtige?
Du weißt es.
Dein Bauch weiß es.
Scheiße, K.
67
Boone geht zu Starbucks.
Was nicht oft vorkommt. Das Problem ist nicht, dass er Globalisierungs- und Franchisegegner wäre, sondern eher, dass er seinen Kaffee im Sundowner trinkt und ihm das im Großen und Ganzen reicht. Wahrscheinlich könnte Boone Kenia-Kaffee von Malzbier unterscheiden, aber das war’s auch schon.
Jedenfalls geht er jetzt hin und erträgt die skeptischen Blicke, die er mit seiner Bestellung eines »normalen schwarzen Kaffees« erntet.
»Du meinst den Americano grande«, fragt ihn die Barista hinter dem Tresen.
»Einen normalen schwarzen Kaffee.«
»Grande.«
»Normal«, sagt Boone und zeigt auf die Becher. »Die Größe zwischen groß und klein.«
»Das ist der Grande.«
»Na, dann den, bitte.«
»Wie heißt du?«, fragt die Barista.
»Wie ich heiße?«
»Damit wir dich rufen können.«
»Wozu?«
»Wenn dein Americano grande fertig ist.«
»Ich dachte, der wird einfach nur eingeschenkt.«
»Wir müssen ihn erst zubereiten«, sagt die Barista. »Wenn er fertig ist, rufen wir dich.«
»Boone.«
»Boo?«
»Daniels ist besser.«
»Danke, Daniel.«
Er bleibt stehen und
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