Pacific Paradise - Boone Daniels 2
Schattierungen.
Die Grundfarben bei den Motiven sind Wahnsinn, Sex und Geld.
Bei dem ersten Motiv hält er sich nicht auf. Wahnsinnig ist wahnsinnig, da gibt es keine nachvollziehbare Logik. Alles beruht auf Zufall. Natürlich gibt es auch dabei Varianten. Den angeborenen, tiefsitzenden Wahnsinn eines Charles Manson oder eines Mark David Chapman. Und es gibt »vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit« oder auch »Raserei« – ein Tsunami der Wut, der jede normale Zurückhaltung oder Hemmung überrollt –, eine Person »sieht rot« und geht hoch. Eine Unterkategorie der Wut ist die durch Drogen – oder Alkoholkonsum bedingte Wut – Alk, Pillen, Meth, Ice,Steroide, egal was, bringen Menschen dazu, in Situationen Gewalt auszuüben, in denen sie dies normalerweise nicht tun würden.
Nichts davon passt zu dem, was Boone über den Mord an Schering weiß.
Er geht also zum nächsten Hauptmotiv über, Sex. Mord wegen Sex ist eng verwandt mit Raserei, allerdings ist der Auslöser meist Eifersucht. Wenn also Sex das Motiv war, dann ist Dan Nichols der Hauptverdächtige, da es offenbar keine weiteren eifersüchtigen Ehemänner oder Freunde gibt. Ja, denkt Boone, aber im Moment suchst du jemand anderen, nicht Dan, also weiter.
Zum Geld.
Menschen sind bereit, für Geld zu töten, traurig, aber wahr. Steckte Schering in finanziellen Schwierigkeiten? Ein geplatztes Geschäft, hohe Schulden? Hatte er eine Leidenschaft fürs Glückspiel und war ihm das Kleingeld ausgegangen? Aber selbst wenn, und im Gegensatz zu allem, was in der Popkultur verbreitet wird: Buchmacher und Kredithaie bringen ihre Schuldner selten um die Ecke – wenn sie das täten, würden sie ihre Kohle garantiert nie mehr sehen.
Nein, normalerweise bringt man jemanden um, weil man glaubt, dadurch an dessen Geld heranzukommen.
Inwiefern war bei Schering was zu holen? Was er besessen hatte, war im Haus geblieben, sonst hätte Johnny Raub als Möglichkeit angesprochen. Wenn Schering also nichts Nennenswertes besaß, vielleicht stand er irgendwem im Weg?
Wem konnte Schering den Zahltag versaut haben?
Boone fährt zum Büro des Toten.
Kein polizeiliches Absperrband. Die Cops haben nichts versiegelt und warum auch? Schering wurde nicht hier umgebracht, außerdem haben sie einen Verdächtigen, der ihnen gut gefällt, und auf den sind sie fixiert.
Gut, denkt Boone.
Und vorläufig erst mal umso besser.
Trotzdem kannst du nicht am sprichwörtlich »helllichten Tage« in das Büro einsteigen, das wird warten müssen.
Er beschäftigt sich anderweitig.
Mit diesem bescheuerten Blödmann Corey Blasingame.
Boone fragt sich, ob Alan Zeit gefunden hat, ihn zu besuchen und ihm den Deal anzubieten, und ob Corey darauf eingegangen ist oder nicht.
Sein Handy klingelt.
Es ist Jill Thompson.
99
»Krieg ich deshalb Ärger?«, fragt sie.
Sie sitzt auf dem Beifahrersitz neben Boone auf dem Parkplatz von Starbucks und kaut auf einer Haarsträhne. Auf Boone wirkt sie jung. Sehr jung.
»Weshalb?«, fragt er.
»Weil ich die Polizei angelogen habe.«
»Sie haben ja nicht direkt gelogen«, sagt Boone. »Ich glaube, das kriegen wir hin.«
Sie kaut noch energischer auf der Haarsträhne und erzählt ihm ihre Geschichte. Sie hat nicht gesehen, wie Corey den Schlag ausgeführt hat. Sie hat ihn gehört, glaubt sie, hat sich umgedreht und den Mann auf dem Boden liegen sehen. Ein paar Typen sind in einen Wagen gestiegen und weggefahren. Sie hielt den verletzten Mann im Arm und wählte die Notrufnummer.
»Ich war voller Blut«, sagt sie.
Später als der Cop mit ihr geredet hat, wollte er wissen, ob sie gesehen habe, wie Corey Kelly – so hieß der Mann, hat der Cop gesagt – den Schlag versetzt hat, und sie hat behauptet, sie hätte es gesehen. Sie dachte, es sei so gewesen, wirklich, und sie wollte Kelly einfach nur helfen.
»Aber werden Sie jetzt die Wahrheit aussagen?«, fragtBoone. »Vielleicht ist es nicht nötig, aber wenn doch, werden Sie dann der Polizei sagen, was Sie mir gerade gesagt haben?«
Sie senkt den Kopf, nickt dabei aber.
»Danke, Jill.«
Sie öffnet die Tür. »Wollen Sie etwas? Einen Latte macchiato oder so? Ich kann Ihnen einen Latte umsonst bringen, wenn Sie möchten.«
»Ich brauch nichts, danke.«
»Okay.«
Er wartet, bis sie reingegangen ist, dann ruft er Pete an und verabredet sich mit ihr und Alan Burke am Gefängnis.
100
Es gibt eine Frage, die ein Verteidiger seinem Klienten oder seiner Klientin niemals stellen wird:
»Haben Sie’s
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