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Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Titel: Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Neunmillimeter benutzen kann.
    Sie fallen durch die Tür ins Haus ein, als wär’s die von den Nazis besetzte Normandie.
    Ein Typ vom Sondereinsatzkommando setzt den schweren Rammbock an, und die Tür kracht auf. Johnny ist als Erster drin. Er ignoriert die Erwachsenen, die hektisch herumrennen und zu fliehen versuchen – die Leute vom SEK werden sie einsammeln. Er schiebt sich weiter vorwärts bis an eine Tür, die zu einer Kellertreppe führt.
    Mit der Pistole vor sich, steigt er die Treppe hinunter.
    Dort unten ist ein Schlafsaal, eine Art Kaserne.
    Schmutzige Matratzen liegen nebeneinander auf dem Betonfußboden. In einer Ecke eine offene Dusche, eine unverdeckte Toilette in der anderen. Überall Decken. Einige wenige schmutzige, fleckige Kissen. Ein alter Fernseher ist mit einem Videorekorder verbunden.
    Kinderfilme.
    Ein paar Kinderbücher in spanischer Sprache.
    Die Mädchen vom Boot stehen dicht gedrängt in einer Ecke. Sie halten einander fest, starren Johnny mit blankem Entsetzen an.
    »Schon gut«, sagt er und lässt seine Pistole sinken. »Jetzt wird alles gut.«
    Vielleicht wird es das wirklich, denkt er.
    Diese Kinder habe ich.
    Aber wo sind die Kinder, die vorher hier gelebt haben?

128
    Boone fährt am Schilf vorbei und immer weiter, bis er eine Stelle findet, an der er anhalten und sowohl die Felder wie auch die Straße überblicken kann.
    Jetzt sitzt er dort und blickt auf die im Morgentau silbrig glitzernden Felder, während im Osten allmählich die Sonne hinter den Hügeln aufsteigt. Hinter den Feldern, am anderen Ende, wo sie zum Fluss hin abfallen, steht das Schilf wie eine Wand und trennt die Felder vom Rest der Welt. Eine Baumreihe, die der alte Sakagawa vor Jahren als Windschutz gepflanzt hatte, schließt daran an.
    Auf der anderen Seite der Felder, auf einer kleinen Erhebung am östlichen Rand, steht das Haus des alten Sakagawa, umgeben von Zitronen- und Walnussbäumen. Der alte Mann wird bald aufstehen, denkt Boone, wenn er nicht längst aufgestanden ist und mit seinem Tee und dem Reis mit eingelegtem Gemüse am Tisch sitzt.
    Die Arbeiter ziehen bereits los, marschieren einer hinter dem anderen auf die Felder hinaus. Sie tragen ihr Werkzeug geschultert, wie Soldaten ihre Gewehre bei einer Mission im Morgengrauen. Sie kommen aus dem Nichts – eine Armee von Phantomen. Nachts verstecken sie sich in den Ecken und Ritzen der Landschaft um San Diego, im sanften Licht des frühen Morgens tauchen sie auf, um zu arbeiten, in der Abenddämmerung verschwinden sie wieder in den Winkeln und Höhlen.
    Sie sind die Unsichtbaren, die Menschen, die wir nicht sehen oder nicht sehen wollen, nicht mal im hellen Tageslicht. Sie sind die unausgesprochene Wahrheit, die verborgene Realität hinter dem kalifornischen Traum. Sie sind da, bevor wir aufwachen, und wieder weg, bevor wir schlafen gehen.
    Boone lehnt sich zurück und beobachtet, wie sie mit der Arbeit beginnen. Sie strömen in organisierten Ketten auseinander, wirken geübt und arbeiten schweigend, fast so, alsgehorchten sie einem Ritual. Mit gekrümmten Rücken und gesenkten Köpfen schuften sie. Sie gehen langsam dabei vor, folgen einem methodischen Rhythmus. Keine Eile, fertig zu werden. Das Feld wird den ganzen Tag hier sein, war gestern hier, wird morgen immer noch da sein.
    Aber vielleicht nicht mehr sehr lange, denkt Boone. Er fragt sich, ob diese Männer wissen, dass sie eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, nicht mehr herkommen werden. Dann werden hier im Morgengrauen Planierraupen und Erdhobel anrücken, richtige Maschinen und keine Männer, die wie eine einzige kollektive Maschine arbeiten. Abgase statt Dung.
    Auf den ehemaligen Feldern werden Luxuswohnungen entstehen. Ein Einkaufszentrum, eine Fußgängerzone. Statt der Arbeiter werden sich hier Anwohner, Kunden und Restaurants drängen. Und die Männer werden in irgendeine andere Zwischenwelt verschwinden.
    Boone spürt ein wenig willkommene Wärme durch die Fensterscheibe des Wagens.
    Jetzt steht die Sonne über den Bergen.

129
    Johnny geht wieder nach oben.
    Lieutenant Gilman steht neben den Gefangenen, die mit auf den Rücken gefesselten Armen auf dem Boden sitzen. Drei Männer, zwei Frauen.
    »Wer auch immer hier festgehalten wurde«, flüstert ihr Johnny zu, »ist nicht mehr hier.«
    Sie sieht ihn und Harrington an. »Tun Sie, was Sie tun müssen.«
    Harrington nähert sich einem der Typen, der den Fehler gemacht hatte, Blickkontakt herzustellen. Er hebt ihn auf die Füße.

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