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Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Titel: Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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sehen aus wie besorgte Eltern im Wartezimmer eines Krankenhauses.
    Unter dem Haus prallt der Ozean wie in einem Tobsuchtsanfall gegen die Klippen.

123
    Dave hört die großen Brecher schon aus zweihundert Metern Entfernung. In der Dunkelheit kann er sie nicht sehen, aber das Geräusch ist unverwechselbar.
    Rhythmisch, beständig.
    Echte Bomber.
    »Esteban!«, schreit er. »Sag den Kindern, sie sollen sich festhalten!«
    Was hat Boone immer gesagt?, denkt Dave. Ich könnte blind durch diese Gewässer surfen? Na ja, hoffentlich hat er recht. Beim Surfen spürt man eher, als dass man sieht, aber dafür hat man auch ein Board unter den Füßen, kein überladenes Gummischlauchboot voller hilfloser Kinder.
    Spielt keine Rolle, sagt er sich.
    Du musst es tun.
    Musst das Boot reinsurfen.
    Er jagt den Motor hoch, um so viel Tempo wie möglich zu bekommen, und betet, dass es reichen wird. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen kann, ist ein verpasster Einstieg auf eine große Welle, denn dann würden sie einfach darüber hinwegrasen und das Boot würde kentern. Er muss das Boot gerade halten, den Bug immer im rechten Winkel zur Welle, denn wenn es sich auch ein kleines bisschen zur Seite neigt, purzelt das Boot davon.
    Also muss er die Welle richtig erwischen, das Boot links darüber hinwegmanövrieren und in Bewegung halten, falls es auf dem Grund aufkommt, sonst wird es vom Weißwasser überspült.
    Er spürt, wie die Welle unter dem Boot anschwillt, es hebt und vorantreibt.
    Ist bloß eine Scheißwelle, sagt er sich. Nichts groß dabei.
    »Esteban!«
    »Ja?«
    »Wie heißt der Scheißheilige, zu dem zu betest?«
    »San Andrés!«
    »Stell uns zu ihm durch!«
    Die Welle erhebt sich und reißt das Boot mit auf den Kamm.
    Die Kinder schreien.
    Er hat den richtigen Zeitpunkt erwischt. Jetzt schwenkt er das Ruder nach links und steuert das Boot diagonal über die Vorderseite der Welle. Er spürt, wie sich die Wassermassen hinter ihm heben, sich über ihn neigen, und dann sind sie raus aus der Tube und das Boot kracht mit Wucht ins Weißwasser.
    Es hüpft heftig und eine Sekunde lang fürchtet er, es zu verlieren, es unter sich herausgleiten zu lassen, seitlich zu kippen und überrollt zu werden. Aber es gelingt ihm, es gerade zu halten. Im Kielwasser beruhigt es sich und gleitet in die Mündung der Lagune.
    Dave stößt ein kurzes Dankgebet aus.
    An Sankt George Freeth.
    »Esteban, übernimm das Ruder«, sagt Dave. Der Junge ist sichtlich erschüttert, grinst aber wie ein Bekloppter und übernimmt das Ruder. Dave kramt in seiner Tasche nach seinem Handy.
    Standardarbeitsanweisung.

124
    Boone fährt den Pacific Coast Highway entlang.
    Durch die Strandorte, vorbei an den tollen Wellen.
    Er denkt an die Wellen, die Ritte, die Stürze. An die langen untätigen Stunden am Line-up oder am Strand, in denen man sich Geschichten erzählt. Fisch für die Tacos grillen, den Sonnenuntergang beobachten. Die Lagerfeuer nachts, näher an die Flammen heranrücken, bis einem warm wird, zusehen, wie die Sterne funkeln, und hören, wie jemand Gitarre oder Ukulele spielt.
    Sachen machen, die man gerne macht, an einem Ort, den man mag, mit Menschen, die man liebt … darum geht’s im Leben oder jedenfalls sollte es das. Wenn man sein Leben so verbracht hat – und das habe ich, denkt Boone – sollte man nicht bedauern, wenn es vorbei ist. Abgesehen vielleicht von einer gewissen Traurigkeit darüber, dass man die letzte Welle reitet.
    Wenn man überhaupt weiß, dass es die letzte ist.
    Was ich gesehen habe.
    Was ich gesehen habe, denkt Boone. Ich habe die Welt aus einer Welle heraus gesehen, das Universum in einem einzigen Wassertropfen.
    Sie haben keine Ahnung von der Welt da draußen.
    Bald wird die Sonne aufgehen, die Dawn Patrol wird rauspaddeln, die großen Wellen angehen, Sunny wird ihre Chance nutzen. Er wäre gerne mit ihnen da draußen, wäre gerne für immer und ewig dort draußen. Aber es gibt Sonnenaufgänge, die man alleine beobachten muss.
    Boone steuert landeinwärts, weg vom Ozean und in Richtung der Erdbeerfelder.

125
    Johnny Banzai und Steve Harrington sitzen im Wagen und warten. Unter ihnen schlängelt sich ein alter Transporter über die schmale Schotterstraße an den Rand der Batiquitos Lagoon.
    »Glaubst du, das sind sie?«, fragt Harrington.
    Johnny zuckt mit den Schultern.
    Seit Daves Anruf weiß Johnny nicht mehr, was was ist. Er weiß nichts mehr über gar nichts. Der Anruf war surreal. »Ich bin’s, Dave. Ich komme mit

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