Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
sah aus dem Fenster oder schlief. Sunny machte das irre. Einen solchen Boone hatte sie noch nie erlebt – passiv, mürrisch, wütend.
Eines Tages, als sie ihm vorsichtig vorschlug, er könne doch vielleicht surfen gehen, antwortete er: »Versuch nicht, mir zu helfen , okay, Sunny? Ich brauch niemanden, der mir helfen will .«
»Ich wollte dir nicht helfen.«
»Scheiße.«
Er stand vom Sofa auf und ging wieder ins Bett.
Sie hoffte, es würde besser werden, wenn er wieder arbeiten ging. Wurde es nicht. Es wurde schlimmer.
Sie zogen ihn ganz von der Straße ab und setzten ihn an einen Schreibtisch, wo er Festnahmeprotokolle abheftete. Eine sichere Methode, um einen aktiven Frischluftmenschen in den Wahnsinn zu treiben, und genau das passierte auch. Von acht Uhr morgens bis fünf Uhr abends, fünf Tage die Woche, saß Boone alleine in einer Kabine und gab Daten ein. Er kam gelangweilt, verspannt und wütend nach Hause.
Er war ein Haufen Elend.
»Gib’s auf«, riet ihm Dave the Love God.
»Ich bin keiner, der aufgibt«, erwiderte Boone.
Aber nach drei weiteren Monaten mit dieser Scheiße gab er auf. Er ließ sich seine Papiere aushändigen, gab Dienstmarke und Waffe zurück und ging. Niemand versuchte es ihm auszureden. Das einzige Wort, das er zu hören bekam, stammte von Harrington, der ihm beim Hinausgehen die Tür aufhielt.
Das Wort war: »Gut.«
Zwei Stunden später lag Boone wieder auf Sunnys Sofa.
Surfen war abgeschrieben. Boone blieb der Dawn Patrol unentschuldigt fern. Er tauchte überhaupt nicht mehr auf. Er ging nirgendwo mehr hin.
Eines Nachts, als Sunny von einer langen Schicht im Sundowner zurückkehrte und ihn ausgestreckt in derselben Jogginghose und demselben T-Shirt wie seit Wochen auf dem Sofa liegen sah, sagte sie: »Wir müssen reden.«
»Was in Wirklichkeit bedeutet, dass du reden musst.«
»Du bist klinisch depressiv.«
»Klinisch depressiv?«, fragte Boone. »Bist du jetzt Psychiater oder was?«
»Ich hab mich mit einem unterhalten.«
»Scheiß drauf, Sunny.«
Immerhin stand er vom Sofa auf. Er ging auf die kleine Veranda hinaus und ließ sich auf eine der zusammenklappbaren Sonnenliegen fallen. Sie folgte ihm nach draußen.
»Ich weiß, dass du wütend bist«, sagte sie. »Ich mach dir keine Vorwürfe.«
»Ich schon.«
»Was?«
»Ich mach mir Vorwürfe«, sagte Boone und starrte aufs Meer. Sie sah, dass ihm Tränen übers Gesicht liefen, als er sagte: »Ich hätte tun sollen, was Harrington gesagt hat. Ich hätte ihm helfen sollen, den Kerl unter Wasser zudrücken … ihn zu schlagen … ihn zu verletzen … egal, was. Hauptsache, er rückt damit raus, was er Rain Sweeny angetan hat. Ich habe mich geirrt, und wegen mir musste das Mädchen sterben.«
Sunny hielt dies für einen kathartischen Moment und glaubte, danach würde ein Heilungsprozess einsetzen und alles würde wieder besser werden.
Sie irrte sich.
Er versank noch tiefer in seiner Depression, ertränkte seine Schuld- und Schamgefühle.
Johnny Banzai versuchte, mit ihm zu sprechen. Kam eines Tages vorbei und sagte: »Das Mädchen war mit ziemlicher Sicherheit längst tot, bevor ihr Rasmussen aufgegriffen habt. Alle Unterlagen weisen darauf hin, dass …«
»Hat Sunny dir gesagt, dass du kommen sollst?«
»Was macht das für einen Unterschied …«
»Scheiß auf deine Unterlagen, Johnny. Scheiß auf dich.«
Die ganze Dawn Patrol versuchte, ihn da rauszuholen. Zwecklos. Sogar Red Eddie kam vorbei.
»Ich hab alle meine Leute rausgeschickt«, sagte Eddie, »damit sie nach dem Mädchen und dem kranken Schwein suchen. Wenn der sich irgendwo blicken lässt, Boone, dann hab ich ihn.«
»Danke, Eddie.«
»Ich tu alles für dich, Bruddah«, sagte Eddie. »Alles auf der Welt.«
Aber es passierte nichts. Nicht mal Eddies Soldaten gelang es, Russ Rasmussen oder Rain Sweeny zu finden. Und Boone versank immer tiefer in seiner Depression.
Einen Monat später stellte ihm Sunny ein Ultimatum. »Ich kann so nicht leben«, sagte sie. »Ich kann mit dir so nicht leben. Entweder, du lässt dir helfen, oder …«
»Oder was? Komm schon, raus damit, Sunny.«
»Oder du suchst dir eine andere Wohnung.«
Er entschied sich für »oder«.
Sie hatte gewusst, dass er das tun würde.
Einem Mann wie Boone stellt man kein Ultimatum und erwartet eine andere Reaktion. In Wirklichkeit war sie erleichtert, als er auszog. Sie schämte sich, aber sie war froh, wieder alleine zu sein. Alleine war es besser.
Auch für ihn war es
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