Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
aufzugeben.
So wie er sich aufgegeben hatte.
Was Sunny nicht weiß, ist, dass Boone immer noch versucht, Russ Rasmussen zu finden. In wehmütigen Morgenstunden sitzt er zu Hause am Computer und versucht ihn aufzuspüren. Versucht, eine Spur zu finden – eine Sozialversicherungsnummer, die irgendwo bei einem Job auftaucht,einen Mietvertrag, eine Gasrechnung, irgendetwas. Wenn er Pennern begegnet, fragt er sie, ob sie irgendetwas über Rasmussen gehört haben, aber niemand hat etwas gehört.
Als der Mann verschwand, verschwand er vollkommen.
Vielleicht ist er tot und hat die Wahrheit mit sich ins Grab genommen.
Aber Boone gibt nicht auf. Boone Daniels, eines der friedlichsten Wesen des Universums, hat eine 38er in der Wohnung. Niemals nimmt er sie mit nach draußen, hat sie niemals dabei. Er hebt sie sich nur für den Tag auf, an dem er Russ Rasmussen findet. Dann wird er den Mann an einen abgeschiedenen Ort führen, ihn zum Reden bringen und ihm eine Kugel in den Kopf jagen.
30
Boone geht zum Büro.
Zum Büro, nicht ins Büro. Er will nur seinen Bus holen und damit zur Wohnung von Angela Hart fahren. Wenn Angela für Tammy einspringen musste, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass Tammy Angelas Platz eingenommen hat. Jedenfalls ist das der beste Ansatz, den er im Moment hat. Und er muss sich beeilen, weil Johnny Banzai ziemlich schnell spitzkriegen wird, dass er die Falsche identifiziert hat, und dann wird er sich ins Zeug legen.
Das gilt auch für Danny Silver, denkt Boone. Cops kriegen in Stripbars aus demselben Grund alles Mögliche gratis, aus dem er auch im Sundowner kostenlos frühstückt, weshalb unzählige von ihnen dafür in Frage kommen, Danny auf seinen Fehler aufmerksam zu machen.
Eigentlich spielt keine Rolle, wer es war, denkt Boone; wichtig ist nur, dass es jemand getan hat, und jetzt liefern wir uns ein Wettrennen um Tammy Roddick. Und wenn Tammy bei Angela in Deckung gegangen ist, denkt Boone, wär’sbesser, wenn er zuerst dort aufschlägt. Und zwar ohne Pete, die ihn ununterbrochen verunsichert und im Weg rumsteht. Soll sie doch Cheerful auf den Sack gehen. Der ist gerne schlecht drauf – die beiden passen perfekt zueinander.
Als er jedoch an sein Boonemobil kommt, sitzt Petra auf dem Beifahrersitz wie ein Hündchen, das weiß, dass Herrchen ausfahren will.
»Wollte schon lange das Schloss reparieren«, sagt Boone, als er sich hinters Steuer klemmt.
»Also«, fragt Petra, »wohin fahren wir?«
31
Boone fährt in südlicher Richtung über Mission Beach.
»Wieso heißt das hier Mission Beach?«, fragt sie. »Gibt’s hier eine Mission?«
»Klar«, sagt Boone. Er weiß auch, worin die Mission besteht. Tagelang am Strand liegen, Bier vernichten und vögeln.
»Wo ist sie?«, fragt Petra.
»Wo ist was?«
»Die Mission«, sagt Petra. »Ich hätte sie gerne gesehen.«
Ach so, die Sorte Mission.
»Wurde abgerissen«, behauptet Boone, was gelogen ist. »Damit das da gebaut werden konnte.«
Er deutet Richtung Küste, auf den Belmont Amusement Park, wo die alte hölzerne Achterbahn wie eine von Menschenhand erschaffene Welle über der Landschaft schwebt. Es gibt sie schon sehr lange, es ist eine der letzten altmodischen Holzachterbahnen. Früher gab es sehr viele davon an der Küste. Anscheinend war es das Erste, was Leuten einfiel, wenn sie sich irgendwo niederließen: Sie bauten eine Achterbahn aus Holz.
Das war allerdings, bevor uns die Hawaiianer das Surfenbeibrachten, denkt Boone. Und wo wir gerade von Missionaren sprechen – wir haben denen Leute mit Bibeln auf den Hals gehetzt, und die schickten uns Typen mit Brettern.
Die Hawaiianer haben es ganz klar schlechter getroffen.
Trotzdem danke, mahalo .
Boone fährt weiter Richtung Ocean Beach.
Ocean Beach ist kein Ort, an dem die Zeit spurlos vorbeigegangen ist. Eher ist es so, dass sie bis 1975 mitmischte, anschließend aber komplett ausstieg.
In OB, wie die Obeachianer den Ort nennen, gibt es alte Hippieläden, in denen man Kristalle und so Zeugs kaufen kann, Bars mit Schwarzlichteffekten und Secondhand-Plattenläden, die eine unfassbare Bandbreite an obskuren Reggaebands im Angebot haben. Die Obeachianer wurden nur einmal aus ihrem Peace-Dude-Tran gerissen, als nämlich eine Starbucks-Filiale im Viertel eröffnet werden sollte.
Es kam zum Aufstand der Bürger, oder dem, was die Obeachianer darunter verstehen.
»Morgen fliegen Frisbeescheiben«, hatte Johnny Banzai völlig korrekt vorausgesehen, und tatsächlich kam
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