Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
Petra.
Boone taucht mit einem Stapel Sweatshirts, Jogginghosen und Socken aus dem Schlafzimmer auf. »Die werden euch zu groß sein«, sagt er. »Aber warm sind sie trotzdem.«
»Warm ist gut«, sagt Tammy. Sie nimmt einen blauen La-Jolla-Surf-Systems-Kapuzenpulli und eine schwarze Jogginghose und geht damit ins Bad. Boone und Petra hören die Dusche.
»Gott, das klingt gut«, sagt Petra.
»Ja, allerdings.«
»Mir läuft immer noch Salzwasser aus der Nase«, sagt sie. »Ich muss wie eine Vogelscheuche aussehen.«
»Sie sehen hübsch aus«, sagt Boone und meint es auch so. »Hören Sie … das haben Sie gut gemacht da draußen. Im Wasser. Ich meine, Sie waren toll. Sie sind nicht in Panik verfallen.«
»Danke«, sagt sie.
Boone sagt: »Möchten Sie Tee?«
»Das wäre wunderbar.«
»Ich habe Kräutertee oder Earl Grey.«
»Earl Grey ist perfekt.«
»Schwarz, oder?«, fragt Boone. »Keine Milch und kein Zucker.«
»Ehrlich gesagt, ordentlich von beidem, bitte«, sagt sie. »Vielleicht liegt das an der Nahtoderfahrung, aber ich bin gierig.«
»Geht doch nichts über einen knapp verpassten Tod, um zu begreifen, wie schön das Leben ist«, sagt Boone.
Ja. Wie schön das Leben ist, wenn ihre vollen Lippen, ihr warmer Hals und ihre meeresgrauen Augen zum Greifen nah sind und sie ihm in die Augen sieht, ihr Mund seinen bereits schmeckt und dann der Kessel wie eine Alarmsirene pfeift und sich ihre Lippen doch nicht berühren.
»Das Leben als Nachahmung schlechter Kunst«, sagt sie.
»Ja.« Boone gießt Wasser in einen Becher und reicht ihn ihr.
»Danke.«
»Gern geschehen.«
»Was ist mit Ihnen?«, fragt sie.
»Ich mache mir einen Kaffee.«
Tammy kommt aus dem Badezimmer.
Boone sieht sie zum ersten Mal richtig an.
Sie ist groß. Nicht so groß wie Sunny, aber ziemlich groß, und sie hat lange, schlanke Beine. Klare, natürliche Linien bestimmen ihr Gesicht und ihre Augen wirken ungeschminkt kleiner, aber immer noch katzenartig. Eine andere Art Katze – wild, unbezähmbar, aber irgendwie ruhig. Sie ist eine beeindruckende Frau, verständlich, dass Mick Penner und Teddy auf sie abfuhren. Sie setzt sich auf die kleine Couch mitten im Wohnzimmer und legt die Füße auf den Wohnzimmertisch.
Boone sagt: »Trinken Sie erst mal was Heißes. Wärmen Sie sich von innen.«
»Ziehen Sie sich um, Boone«, sagt Petra. »Ich kann mich um sie kümmern.«
»Sie kann sich um sich selbst kümmern«, sagt Tammy und steht auf. Sie geht in die Küche, entscheidet sich für Kräutertee und kocht sich eine Tasse. »Ziehen Sie trockene Klamotten an, Tarzan. Ich koche den Kaffee.«
Boone geht zum Umziehen in sein Zimmer.
»Ich muss mit Teddy sprechen«, sagt Tammy.
Petra ist baff. Tammy muss doch begreifen, dass TeddyDan Silver ihr Versteck verraten hat – er hat sie ihm auf dem Silbertablett serviert. Sie sagt: »Ich bin sicher, Dr. Cole geht es gut.«
Schließlich hat er ja getan, was Dan von ihm wollte.
»Ich will mit ihm reden.«
»Wir fragen Boone, was er davon hält«, sagt Petra.
»Steigst du mit ihm in die Kiste?«, fragt Tammy Petra.
»Wie bitte?«
»Wenn ich nicht hier wäre? Du würdest dich doch in der Dusche auf ihn stürzen.«
»Unser Verhältnis ist rein beruflicher Natur.«
»Aha.«
»Das ist ein Barbar.«
»Egal, was geht’s mich an.«
Egal, denkt Petra. Aber ist das möglich? Empfinde ich wirklich etwas für Daniels? Ist hier eine Art animalische Anziehungskraft am Werk oder handelt es sich doch nur um einen Nebeneffekt der Dankbarkeit, die ich verspüre, weil er mich am Strand nicht hat sterben lassen? Wobei ich natürlich nur seinetwegen überhaupt am Strand war. Wegen dieses inkompetenten Blödmanns.
Aber als uns die Kugeln um die Ohren flogen, wirkte er verdammt kompetent, oder nicht? In der Dunkelheit im eiskalten Wasser wirkte er ebenfalls verdammt kompetent, oder etwa nicht?
Boone kommt ins Zimmer zurück.
»Ich glaube, jetzt gehe ich duschen«, sagt sie.
»Ja, wärmen Sie sich auf«, sagt Boone.
76
Welche Worte kommen als Erstes aus Tammys Mund? »Ich will mit Teddy sprechen.«
»Ihr Freund ist ein Pädophiler«, sagt Boone. Er erzählt ihr, was er im Motel in der Nähe der Erdbeerfelder gesehen hat. Ihr Gesicht zeigt keine der möglichen Reaktionen – Schock, Wut, Entrüstung, Abscheu, das Gefühl, betrogen worden zu sein …
»Ich will mit Teddy sprechen«, sagt sie. »Ich muss mit Teddy sprechen.«
Boone seufzt und erläutert ihr die Lage. Erstens wissen sie nicht, wo
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