Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
»Hallo.«
»Ist Ihr Bruder zu Hause?«
»Das sollte er sein, aber ich bin gerade erst gekommen«, antwortet Robert Riessen. »Ist etwas passiert?«
»Ich habe versucht, ihn zu erreichen.«
»Ich auch«, sagt Robert und lässt Joona herein.
Sie gehen eine halbe Treppe hinauf und gelangen in ein geräumiges Foyer mit einem großen Kronleuchter an der Decke. Robert Riessen klopft an eine Tür und betritt die Wohnung seines Bruders. Sie eilen schweigend in die Privatwohnung hinauf.
»Axel!«, ruft Robert.
Sie schauen sich um, gehen durch die Zimmer. Alles ist wie sonst, die Musikanlage ist stumm, aber eingeschaltet, ein Band der Encyclopedia Britannica liegt auf dem Bibliothekswagen.
»Wissen Sie zufällig, ob er verreisen wollte?«, erkundigt sich Joona.
»Nein«, sagt Robert Riessen mit müder Stimme. »Aber er macht so viele seltsame Dinge.«
»Wie meinen Sie das?«
»Man glaubt, dass man ihn kennt, aber … Nein, ich weiß nichts.«
Joona geht ins Schlafzimmer, lässt rasch den Blick durch den Raum schweifen, sieht ein großes Ölgemälde verkehrt herum an der Wand lehnen, einen verblühten Löwenzahnstängel in einem Whiskyglas, das ungemachte Bett und ein Buch.
Robert Riessen ist bereits auf der Treppe nach unten, und Joona folgt ihm in die große Küche.
96
Raphael Guidi
Joona parkt seinen Wagen am Kronobergspark, überquert eilig die grünen Rasenflächen vor dem Landespolizeiamt und ruft die Polizei von Södertälje an. Er macht sich Sorgen, weil er keine Zeit hatte zu bleiben, als Pontus Salman in Obhut genommen werden sollte.
Seine bösen Vorahnungen verstärken sich noch, als der Kollege in Södertälje erklärt, er wisse nicht, wo Salman ist.
»Ich rufe zurück«, sagt der Mann mit gotländischem Akzent. »Geben Sie mir ein paar Minuten.«
»Aber ihr habt ihn doch mitgenommen, oder?«, fragt Joona.
»Das sollten wir eigentlich getan haben«, erwidert der Mann zögernd.
»Ich habe eindeutig Anweisung gegeben, dass er festgehalten werden soll.«
»Jetzt regen Sie sich mal nicht auf«, sagt der Mann. »Ich bin mir sicher, dass die Kollegen ihre Arbeit gut gemacht haben.«
Er gibt etwas in seinen Computer ein, murmelt vor sich hin und tippt noch etwas, ehe er sich wieder meldet:
»Alles klar, er ist hier, und wir haben sein Gewehr beschlagnahmt, eine Winchester 400.«
»Gut, halten Sie ihn fest, wir schicken einen Wagen und holen ihn ab«, sagt Joona. Er hat einen vagen Geruch vom Schwimmbecken im Kronoberg-Bad in der Nase, als er durch die großen Glastüren das Gebäude betritt.
Er nimmt den Aufzug nach oben, geht im Eiltempo den Flurhinab und hat beinahe Carlos Eliassons Büro erreicht, als sein Telefon klingelt. Es ist Disa. Eigentlich hat er keine Zeit für sie, aber er meldet sich trotzdem.
»Hallo«, sagt Disa. »Kommst du morgen?«
»Du hast gesagt, du willst deine Geburtstage nicht feiern.«
»Ich weiß, aber ich dachte … nur du und ich.«
»Das hört sich gut an«, sagt Joona.
»Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen«, sagt sie.
»Okay«, erwidert Joona und hat im selben Moment die Tür erreicht.
»Ich …«
»Entschuldige bitte, Disa«, unterbricht er sie, »aber ich kann jetzt nicht länger sprechen. Ich bin gerade auf dem Sprung in eine wichtige Besprechung.«
»Ich habe eine Überraschung für dich«, sagt sie.
»Disa, ich muss jetzt auflegen«, sagt er und öffnet die Tür.
»Aber …«, sagt Disa.
»Es tut mir wirklich furchtbar leid, aber ich habe keine Zeit.«
Er betritt Carlos’ Büro, schließt die Tür hinter sich und setzt sich auf die Couch, auf der Saga Bauer bereits Platz genommen hat.
»Wir können Axel Riessen nicht erreichen und befürchten, dass das mit der Ausfuhrgenehmigung zusammenhängt«, sagt Joona. »Wir glauben, dass Raphael Guidi dahintersteckt und brauchen deshalb möglichst schnell einen Haftbefehl und …«
»Einen Haftbefehl?«, unterbricht Carlos ihn. »Axel Riessen ist in den letzten zwei Stunden nicht ans Telefon gegangen, er ist heute Morgen nicht zur Arbeit gekommen, und schon glaubt ihr, dass er von Raphael Guidi gekidnappt wurde, einem erfolgreichen Geschäftsmann, der noch nie irgendeines Verbrechens angeklagt worden ist.«
Carlos hebt die Hand und beginnt, es an den Fingern abzuzählen:
»Der schwedischen Polizei liegt nichts gegen ihn vor, Europol nicht, Interpol nicht, ich habe mit der französischen, der italienischen und der monegassischen Polizei gesprochen.«
»Aber ich habe mit Anja gesprochen.« Joona
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