Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
Flucht
Die Klimaanlage hat für Kühle im Auto gesorgt. Pontus Salman merkt, dass seine Hände auf dem Lenkrad zittern. Er ist bereits mitten auf der Lidingö-Brücke. Eine Finnlandfähre legt von ihrem Kaiplatz ab, und hinter dem Kunstmuseum Millesgården verbrennt jemand Laub.
Nur zwei Stunden zuvor saß er in seinem kleinen Ruderboot und probierte, sich den Lauf einer Schrotflinte in den Mund zu stecken. Er hat den Metallgeschmack noch als Furcht einflößende Erinnerung im Mund, genau wie das reibende Geräusch an den Zähnen.
Eine Frau mit abstehenden Haaren war mit dem Kriminalkommissar zum Steg hinuntergekommen und hatte ihm zugerufen, er solle zurückkommen. Es sah aus, als hätte sie ihm etwas Wichtiges mitzuteilen. Sie war um die vierzig, hatte eine bläulich schimmernde Punkfrisur und roten Lippenstift.
Als er ihr in einem kleinen grauen Zimmer gegenübersaß, erfuhr er, dass sie Gunilla Petrén hieß und Psychologin war.
Sie hatte sich mit ihm ernst und streng über das Gewehr und seine Absichten draußen auf dem See unterhalten.
»Warum wollten Sie sterben, Herr Salman?«, hatte Gunilla Petrén ihn gefragt.
»Das will ich nicht«, hatte er ihr wahrheitsgemäß geantwortet.
Es war still geworden in dem kleinen Behandlungszimmer. Dann sprachen sie weiter und er hatte ihre Fragen beantwortet und war dabei mehr und mehr zu der Überzeugung gelangt, dasser nicht sterben, sondern viel eher fliehen wollte, sodass er begann, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, irgendwohin zu reisen, einfach zu verschwinden und unter anderer Identität ein völlig neues Leben anzufangen.
Inzwischen hat er die Brücke hinter sich gelassen. Pontus Salman schaut auf seine Armbanduhr und spürt, wie erleichtert er ist.
Mittlerweile muss Veroniques Maschine den schwedischen Luftraum verlassen haben.
Er hat mit ihr über Französisch-Polynesien gesprochen und sieht sie vor sich, wie sie mit einer hellblauen Stofftasche in der Hand und einem breitkrempigen Hut, den sie wegen des Windes festhalten muss, das Flughafengebäude verlässt.
Warum sollte er nicht auch entkommen können?
Er muss nur noch kurz zum Haus zurückfahren und seinen Pass aus der Schreibtischschublade holen.
Ich will nicht sterben, denkt Pontus Salman und sieht den Verkehr vorbeirauschen.
Er war auf den See hinausgerudert, um vor seinem Albtraum zu fliehen, war aber nicht fähig gewesen, auf sich selbst zu schießen.
Ich nehme den erstbesten Flug, denkt er. Ich könnte nach Island, Japan oder Brasilien fliegen. Hätte Raphael Guidi mich wirklich umbringen wollen, wäre ich jetzt mit Sicherheit nicht mehr am Leben.
Pontus Salman biegt in die Garagenauffahrt vor seinem Haus und verlässt den Wagen. Der Duft von sonnenwarmem Asphalt, Abgasen und Pflanzen steigt ihm in die Nase.
Die Straße ist menschenleer, die Anwohner arbeiten, und die Kinder des Viertels müssen bis zu den Sommerferien noch einige Tage zur Schule gehen.
Pontus Salman schließt die Tür auf und tritt ein. Es ist dunkel im Haus, die Jalousien sind heruntergelassen.
Sein Pass liegt im Arbeitszimmer, und er geht die Treppe hinunter. In der unteren Etage hält er mitten in einer Bewegung inne, lauscht und hört ein seltsam schlurfendes Geräusch, wie von einer nasse Decke, die über einen gekachelten Fußboden geschleift wird.
»Veronique?«, fragt er mit einer Stimme, die kaum trägt.
Pontus Salman sieht das ruhige Licht des Pools auf den weißen Steinwänden schaukeln. Langsam und mit pochendem Herzen geht er darauf zu.
98
Der Staatsanwalt
Oberstaatsanwalt Jens Svanehjälm begrüßt Saga Bauer, Joona Linna und Carlos Eliasson und setzt sich. Das von Anja Larsson beschaffte Material liegt vor ihm auf dem flachen Tisch. Svanehjälm trinkt einen Schluck von seinem Sojakaffee, wirft einen Blick auf das oberste Bild und wendet sich an Carlos.
»Es dürfte euch schwerfallen, mich zu überzeugen«, sagt er.
»Es wird uns schon gelingen«, erwidert Joona lächelnd.
»Make my day«, sagt der Staatsanwalt.
Svanehjälms schlanker Hals ohne erkennbaren Adamsapfel und seine schmalen, abfallenden Schultern unter dem gut sitzenden Anzug verstärken den Eindruck von einem Jungen, der sich als Erwachsener verkleidet hat.
»Die Sache ist einigermaßen kompliziert«, beginnt Saga. »Wir glauben, dass Axel Riessen, der Generaldirektor der Staatlichen Waffenkontrollbehörde, entführt worden ist und dies mit den Ereignissen der letzten Tage zusammenhängt.«
Sie verstummt, als Carlos’
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