Pain - Bitter sollst du buessen
verkaufen.« Ihre Nasenflügel bebten in hochmütiger Empörung. »Wie edel von dir.«
»Jason hat sich von dir scheiden lassen. Ist fortgezogen. Kent ist zusammengebrochen und musste in eine private psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Ryan ist den Drogen und Depressionen verfallen.«
»All diese schmutzigen kleinen Einzelheiten für einen Schundroman oder einen Film der Woche im Fernsehen! Ich hätte überhaupt nicht mit dir reden, dich niemals in mein Haus lassen sollen«, schnappte sie, und ihre Stimme brach unter der heftigen Gefühlsaufwallung. »Verstehst du denn nicht? Annie ist tot … das Kind ist tot«, sagte Estelle leise. »Daran ist nichts zu ändern. Du willst gar nicht einen Mörder seiner gerechten Strafe zuführen … o nein. Das Einzige, was du erreichst, ist, einer Familie noch mehr Kummer und Schmerz zuzufügen. Also erspar mir deine Erklärungen, denn ich glaube dir kein Wort.« Sie riss sich zusammen, beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Glastisch. »Wenn du mit dieser … Hexenjagd fortfährst, werde ich dich gerichtlich daran hindern. Deine Verteidigung wird dich ein Vermögen kosten, über das du meines Wissens nicht verfügst. Kein Verlag wird sich auf dein Projekt einlassen – aus Angst vor einer Klage. Ich habe bereits mit meinem Anwalt gesprochen, und er wird ein Verfahren anstrengen, um die Veröffentlichung zu verhindern. Ich glaube, es wäre das Beste, wenn du jetzt gehst.«
Jetzt war es an Ty, sich vorzubeugen. Über die zwei unberührten Gläser mit Eistee hinweg entgegnete er: »Du kannst mir drohen, solange du willst, Estelle. Du kannst alle nur erdenklichen Rechtsverdreher anheuern und Tausende von Dollars dafür verschleudern, aber ich gebe nicht auf, ganz gleich, welche Leichen sich in deinem Keller finden. Etwas ist faul an dem angeblichen Selbstmord deiner Tochter, und du weißt es so gut wie ich.« Er stand auf, blickte auf sie hinab und sah, wie sie den Rücken straffte. »Der Unterschied zwischen uns ist, dass ich wissen will, was mit Annie geschehen ist, du aber nicht. Weil du Angst vor der Wahrheit hast. Warum wohl? Was macht dir so schreckliche Angst?«
»Geh«, sagte sie schwach.
»Ich werde es herausbekommen, so oder so.«
»Geh jetzt, oder ich rufe die Polizei«, giftete sie.
»Das glaube ich nicht, Estelle. Ich möchte wetten, dass die Polizei die Letzte ist, die du in diese Sache hereinziehen würdest. Aber es ist zu spät, denn ob es dir passt oder nicht – die Wahrheit über Annies Tod wird ans Licht kommen.«
»Fahr zur Hölle«, sagte sie und stand auf.
Er lächelte freudlos. »Irgendwie habe ich das Gefühl, schon auf dem Weg dorthin zu sein.«
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28 . Kapitel
S ieht dieser Mann aus wie der, der Sie gestern im Park angegriffen hat?«, fragte Bentz.
Er schob die vom Computer bearbeitete Zeichnung über seinen Schreibtisch zu dem Mädchen, Sonja Tucker, hinüber. Am frühen Morgen hatte sie Anzeige erstattet, gegen einen Mann mit Sonnenbrille, der sie spätabends im Park angefallen hatte. Als Bentz nach seiner Rückkehr aus dem St. Pierre darüber informiert worden war, hatte er sie gleich angerufen und gebeten, noch einmal aufs Revier zu kommen. Jetzt saß sie ihm gegenüber, eine nervöse neunzehnjährige Studienanfängerin an der Tulane-Universität, die an einem Ferienlager teilnahm und sich wahrscheinlich glücklich schätzen konnte, noch am Leben zu sein.
»Könnte sein«, sagte sie, hob die Skizze hoch und betrachtete sie eingehend. Sie hatte dem anderen Beamten berichtet, dass sie am Vorabend auf dem Weg zu einer Kostümparty gewesen sei. Als Prostituierte verkleidet, hatte sie auf die Straßenbahn gewartet, da hatte ein Mann sie angesprochen. Er wollte mit ihr ins Geschäft kommen und ihr Nein nicht akzeptieren. Er wurde handgreiflich, versuchte, sie festzuhalten, und sie zerkratzte ihm daraufhin das Gesicht. Sie schlüpfte aus ihren Highheels und rannte wie eine Wilde durch den Audubon-Park, wo sie sich in Zoonähe im Gebüsch versteckte.
Das war zweifellos eine wertvolle Lektion in Sachen Stadtleben für sie gewesen. Im Augenblick wirkte sie äußerst verängstigt.
»Es war dunkel«, fügte sie hinzu und nagte an ihrer Unterlippe.
»Aber – Sie haben ihn doch genau gesehen?«
»Gewissermaßen. Da war eine Straßenlaterne, aber er trug eine dunkle Sonnenbrille, war unrasiert und … Sie studierte die Zeichnung gründlich, und ihre Finger zitterten so sehr, dass das Papier in ihrer Hand flatterte. Sie war
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