Pain - Bitter sollst du buessen
trank eine Dose Cola light. Seine Augen, ohnehin schon groß, waren weit aufgerissen, als hätte es Angst, und schienen aus den Höhlen treten zu wollen. Das Haar hatte es zu hunderten von winzigen Zöpfchen geflochten, die im Nacken zusammengebunden waren.
Als die drei eintraten, erhob es sich, und die Rezeptionistin stellte sie einander vor. Bentz forderte das Mädchen auf, wieder auf dem Sofa Platz zu nehmen, und setzte sich selbst auf einen Klappstuhl. Montoya blieb an der Tür stehen.
»Sie hatten letzte Nacht Dienst?«, fragte Bentz, und das Mädchen nickte rasch.
»Ja.«
»Und Sie haben den Gast registriert, der das Zimmer gebucht hat, in dem das Mordopfer gefunden wurde?«
»Mhm, ich … hm, ich hab dem anderen Beamten schon die Karte gegeben, die er ausgefüllt hat.«
Aus den Augenwinkeln sah Bentz Montoya kaum merklich nicken, zur Bestätigung, dass die Polizei die Registrierkarte bereits an sich genommen hatte.
»Sie haben sich den Kerl also genau angeschaut, als er sich gestern eingetragen hat?«, erkundigte sich Bentz.
»Ja.« Lucretia nickte erneut, sodass ihr kleiner Kopf unter der Last des üppigen Haars hüpfte.
»Was können Sie mir über ihn sagen?«
»Was ich dem anderen Bullen – äh, Beamten – auch schon gesagt habe. Er war schätzungsweise dreißig Jahre alt, groß und kräftig – nicht dick, aber … er sah stark aus, als würde er Gewichte heben oder so, ein Weißer mit sehr dunklen Haaren – fast schwarz, und … er trug eine Sonnenbrille, ganz dunkel, was irgendwie komisch war, aber … na ja …« Sie zuckte mit den schmalen Schultern, als wäre ihr längst nichts mehr fremd.
»Sonst noch was?«
»O ja. Mir ist aufgefallen, dass sein Gesicht zerkratzt war, als hätte ihm jemand alle fünf Fingernägel über die Wange gezogen.«
»Wissen Sie vielleicht noch, was er anhatte?«
»Schwarz – er war ganz in Schwarz. Ein schwarzes T-Shirt und schwarze Jeans und ein Ledermantel, was ich irgendwie komisch fand, weil es doch so heiß ist, aber er trug ja auch diese Sonnenbrille. Jedenfalls … ich hatte ein komisches Gefühl im Bauch.«
»Inwiefern komisch?«
Sie wandte den Blick ab. »Er hatte so etwas an sich, etwas … Ach, das hört sich blöd an, aber er kam mir irgendwie gefährlich vor, aber irgendwie auch cool. Er ging sehr aufrecht und wirkte selbstbewusst, als wüsste er genau, was er tat. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Ich war nervös, wahrscheinlich wegen der Sonnenbrille, aber er hat gelächelt, und das war kein kaltes Lächeln, sondern richtig nett. Strahlend. Beruhigend.« Sie betrachtete die halb leere Coladose in ihrer Hand. »Ich hätte mich auf meinen Instinkt verlassen sollen.«
Das arme Mädchen hatte Schuldgefühle, weil sie einen Mörder eingelassen hatte. »Sie können uns jetzt helfen, Lucretia«, sagte Bentz und beugte sich vor, die Ellbogen auf die Schenkel gelegt, die Hände zwischen den Knien gefaltet. Er schaute sie eindringlich an. »Ich möchte, dass sie mit aufs Revier kommen und den Mann unserem Polizeizeichner beschreiben. Er porträtiert den Kerl, und das Bild wird dann per Computer aufgearbeitet, damit es echter aussieht. Es würde uns wirklich sehr helfen.«
Sie blinzelte. »Klar. Wie Sie meinen.«
»Gut.« Bentz spürte einen Adrenalinstoß. Er rückte dem Kerl auf den Pelz, spürte, dass er ihn einkreiste – und hoffte inständig, dass er den Schweinehund stellen konnte, bevor er erneut zuschlug.
Estelle Faraday war alt geworden. Die vergangenen neun Jahre im Zusammenspiel mit ihrem Schmerz und dem exzessiven Tennisspiel unter der erbarmungslosen Sonne von Houston hatten sie der Vitalität beraubt, die Ty in Erinnerung hatte. Sie hatte ihn aufgefordert, draußen in einem Rattansessel Platz zu nehmen, unter dem Dach, das ihre Veranda beschattete. Über seinem Kopf drehten sich Ventilatoren, zwei Stufen tiefer dehnte sich ein Swimmingpool bis zu dem hinter Stauden verborgenen Grenzzaun aus. Eine Skulptur der Jungfrau Maria mit ausgebreiteten Armen stand zwischen Terrakottakübeln voller Petunien, deren rosafarben-weiße Blüten leuchtende Farbtupfer bildeten. Ein Dienstmädchen hatte Eistee und Zitronenkekse gebracht und war dann durch eine Glastür in dem riesigen, zweistöckigen, stuckverzierten Haus verschwunden.
»Du verstehst sicher«, sagte Estelle, und die Diamanten in ihrem breiten Armreif blitzten, »dass ich mich lediglich bereit erklärt habe, mich mit dir zu treffen, um dich zu bitten, das Buch über
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