Pain - Bitter sollst du buessen
Ich denke, es ist besser, wenn wir sie zu Hause aufsuchen. Soweit ich weiß, hatte sie eine ziemlich enge Beziehung zu Leanne Jaquillard. Die Kleine hat an einer wöchentlichen Gruppensitzung für problematische Jugendliche teilgenommen, die Samantha im Boucher Center veranstaltet.« Bentz rollte mit seinem Stuhl zurück. »Ich glaube, sie hatte Schwierigkeiten mit ihrer Familie. Kein Vater und eine Mutter, die ihr das Leben schwer machte.«
»Ich hatte bereits das Vergnügen mit Marletta Vaughn«, sagte Melinda nüchtern. »Sie ist nicht gerade das, was man eine vorbildliche Mutter nennt.«
Bentz lächelte düster. »Weißt du, das letzte Mal, als der Mistkerl Samantha Leeds im Studio anrief, hat er sie bedroht. Er sagte … Moment, ich will nichts Falsches behaupten.« Er rollte wieder vor an seinen Schreibtisch und hob den Finger einer Hand. Mit der anderen blätterte er in seinem Notizbuch. »Ah, da haben wir’s ja. Er sagte, ich zitiere: ›Das, was heute Nacht geschieht, geschieht deinetwegen. Wegen deiner Sünden. Du musst bereuen, Sam. Um Vergebung bitten.‹«
Er schob das Notizbuch zur Seite. »Dass wir das andere Opfer – Cathy Adams – in der Nacht von Annie Segers Geburtstag gefunden haben, scheint purer Zufall zu sein und nicht im Zusammenhang mit den anderen Morden zu stehen. Ein anderer Täter. Ich habe gehofft, dass John bei seinem Anruf auf die Torte anspielte, die beim Sender aufgetaucht war. Doch da habe ich mich getäuscht. Wie es aussieht, ist das Mädchen«, er tippte mit dem Finger auf das Foto des letzten Opfers, »diese Leanne Jaquillard, von dem Kerl ermordet worden, der sich im Hotel als John Fathers eingetragen hat und der meiner Meinung nach jener John ist, der Dr. Sam im Studio anruft. Alles passt zusammen, Melinda.«
»Gut, wenn das zutrifft, dann handelt es sich bei John und dem Mörder um ein und dieselbe Person«, fasste Melinda zusammen. »Und wie erklärst du dir den Anruf der Frau, die sich als Annie ausgab?«
»Daran arbeite ich noch«, antwortete Bentz.
»Glaubst du, es könnte eine Frau sein, die diesem John so ergeben ist, dass sie tut, was er von ihr verlangt?«
»Oder es könnte eine sein, die Samantha Leeds hasst. Eine Frau, die eifersüchtig ist, entweder auf sie persönlich oder auf ihren beruflichen Erfolg. Oder eine, die glaubt, dass Dr. Sam ihr Unrecht getan hat, ihr zum Beispiel den Freund ausgespannt hat, sagen wir, die erste Mrs. Jeremy Leeds oder auch die derzeitige, der es nicht passt, dass die Exfrau ihres Mannes so viel Beachtung findet. Oder eine Rivalin wie Trish LaBelle von WNAB … Ich weiß es nicht.«
»Oder John hat jemanden bezahlt«, überlegte Melinda laut. »Du glaubst doch, Annies Anruf erfolgte vom Band, nicht wahr? John hätte eine Frau von der Straße weg anheuern können, um das Band aufzunehmen.«
»Jetzt redest du wie Montoya. Für ihn geht es bei jedem Verbrechen nur um Geld.«
Jaskiel zog eine Braue hoch. »Für gewöhnlich ist das auch so, Rick. Nicht alle sind edle Idealisten.«
»Keiner von uns ist ein edler Idealist«, berichtigte er sie. »Hier jedenfalls nicht.«
»Nein?« Sie lachte und wirkte plötzlich viel weiblicher, bei weitem nicht mehr so autoritär. »Vielleicht hast du Recht. Aber mir war eben, als hätte ich Rosinantes Hufschlag im Flur vernommen, und normalerweise verklingt der ja genau hier.«
»Was zum Teufel redet ihr da?« Montoya trat in das Büro, und wie immer war er trotz der Hitze kein bisschen verschwitzt.
»Ach, nichts«, sagte Bentz.
Jaskiel warf Montoya einen harmlosen Blick zu. »Wir sprachen von Don Quichottes Ross.«
»Herrgott, woher weißt du so was?«, fragte Montoya entgeistert.
»Ich lese«, erwiderte sie knapp. »Es ist eine Geschichte, die du kennen solltest. Schließlich ist sie Teil deines spanischen Erbes.«
»Interessiert mich nicht die Bohne.«
Bentz setzte hinzu: »Und sie löst Kreuzworträtsel und sieht sich Quizsendungen an.«
»Sofern ich die Zeit dazu finde. Apropos«, sie schaute auf die Uhr, »ich wappne mich jetzt besser für mein Treffen mit dem vierten Stand.« Sie lächelte ihr Routinelächeln. »Ich möchte ihn nicht warten lassen.« Damit verschwand sie.
»Bist du startbereit?«, fragte Montoya.
»So gut wie.« Bentz reichte Montoya das Phantombild.
»Das ist unser Mann?«
»Theoretisch ja.«
»Scheiße, das kann doch jeder sein.«
»Ich lasse den Computertechniker Fotos von Männern in Samantha Leeds’ und Annie Segers Leben machen, von Männern mit
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