Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pain - Bitter sollst du buessen

Pain - Bitter sollst du buessen

Titel: Pain - Bitter sollst du buessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Körnchen Wahrheit in seinem Spruch jedoch nicht verleugnen. Sie hatte sich völlig untypisch verhalten – oder etwa doch nicht? Ein Teil von ihr neigte von jeher dazu, sich nah am Abgrund zu bewegen, Risiken einzugehen – wie ihr Bruder. Peter hatte sich nie an Regeln gehalten. Nie.
    Und dafür hatte er bezahlen müssen.
    Irgendwann war er einfach abgetaucht, war nur noch gelegentlich aufgekreuzt, und zwar meistens pleite. Er hatte dann stets wilde Geschichten aufgetischt, die Sam ihm nicht abgekauft hatte. Kein Mensch konnte einen anderen so gut an der Nase herumführen wie ihr Bruder.
    Sie fand nun ihren Rock, der am Boden lag. Irreparabel zerknittert. Pech. Innerlich mit sich selbst schimpfend schlüpfte sie in ihre Kleider. Sie konnte ihr Tun nicht einmal mit dem übermäßigen Weingenuss entschuldigen. Ja, sie war müde gewesen und angespannt, erleichtert, Ty auf ihrer Veranda vorzufinden. Und doch entsprach es nicht ihrer Gewohnheit, einfach ihren gesunden Menschenverstand und ihre Moral über Bord zu werfen. Wenn eine ihrer Hörerinnen sie anriefe und gestände, dass sie wegen eines Spiels, eines albernen Kinderspiels, mit einem beinahe Fremden ins Bett gestiegen sei, würde Dr. Sam ihr gehörig die Leviten lesen.
    Sie war gerade aufgestanden und zog den Reißverschluss ihres Rocks hoch, da drehte sich Ty zu ihr um, zwei Tassen mit dampfendem Kaffee in den Händen. »Bitte schön, Sonnenschein«, sagte er und reichte ihr eine Tasse. »Und jetzt begebe ich mich lieber an Deck; wir sollten aufbrechen. Oh – eins noch.« Als wollte er mit ihr anstoßen, hob er ihr seine Tasse entgegen. »Auf ›Wahrheit und Pflicht‹.« Seine Augen lachten, und sie spürte einen Stich im Herzen.
    Er nahm einen Schluck Kaffee und ging in Richtung Treppe. »Das nächste Mal könnten wir vielleicht ›Stille Post‹ spielen.«
    »Oder ›Flaschendrehen‹.«
    »Oder ›Doktor‹.«
    »Du kennst dich gut aus«, stellte sie fest und folgte ihm an Deck.
    Wind war aufgekommen, und nur spärliche Sonnenstrahlen schafften es, die dicke Wolkendecke zu durchbrechen. Ty arbeitete rasch, lichtete den Anker, setzte die Segel und lenkte die Schaluppe dann über das graue Wasser. An diesem Morgen war die Fahrt rauer; als Sam versuchte zu trinken und das Gleichgewicht zu halten, schwappte Kaffee über. Bald schon erkannte sie das Ufer von Cambrai, und als sie ihr Haus mit dem sonnengebleichten Anleger, den stattlichen immergrünen Eichen und der leuchtenden Bougainvillea über der Veranda sah, musste sie unwillkürlich lächeln.
    »Erzähl mir von deinem Buch«, bat sie. Er drosselte das Tempo und holte die Segel ein. »Wie hast du es Melanie beschrieben? Eine Mischung aus ›Pferdeflüsterer‹ und …«
    »… ›Das Schweigen der Lämmer‹. Das war natürlich ein Scherz. In Wirklichkeit schreibe ich über ein paar Fälle, die ich als Polizist bearbeitet habe.«
    »Du warst Polizist?«, fragte sie verblüfft.
    »In einem meiner früheren Leben.«
    »Dein Buch ist also praktisch eine Dokumentation über Verbrechen?«
    Er zögerte. »Eher Fiktion auf der Grundlage von Tatsachen.«
    Er steuerte das Boot in seichteres Wasser und furchte die Stirn, und Sam spürte, dass er etwas verschwieg, ein Geheimnis wahrte. »Und wie geht es voran?«
    »Ganz gut. Ich bin auf ein paar Hindernisse gestoßen, doch die werde ich ausräumen können.«
    Sehr verschwommen. »Wo warst du Polizist?«, erkundigte sie sich.
    »In Texas.«
    »Ranger?«
    »Nein, Detective. Hol bitte mal die Leine da, ja?« Er wies auf ein zusammengerolltes Tau und brachte die Stoßdämpfer an, damit die Schaluppe nicht den hölzernen Anleger rammte. Dann machte er sie fest. »Ich begleite dich ins Haus.«
    »Nicht nötig. Es ist schließlich heller Tag.«
    »Mir wäre dann aber wohler«, beharrte er, schon auf dem Weg zur hinteren Veranda und nicht bereit, ihre Widerrede zu akzeptieren.
    Die Fenstertüren standen offen, so, wie sie sie verlassen hatten, die Alarmanlage war nicht eingeschaltet. Samantha hatte am Vorabend nicht daran gedacht, war zu sehr mit Ty beschäftigt gewesen und hatte auch nicht damit gerechnet, dem Haus für längere Zeit den Rücken zu kehren.
    Sie hatte sich geirrt.
    Charon hatte sich unter einem Stuhl im Esszimmer versteckt, und etwas Sonderbares lag in der Luft … etwas, das ihr ein mulmiges Gefühl verursachte.
    Samanthas Kopfhaut prickelte. »Vielleicht bin ich nur müde, aber ich … ich habe den Eindruck, dass jemand hier war.« Sie sah sich selbst

Weitere Kostenlose Bücher