Pakt der Könige
größten Lehmgebäude hauste.
»Alle Sklaven sind außerhalb der Stadt in der Amphorenhöhle untergebracht worden«, erklärte der Häuptling, der auf einem Stück der wohlriechenden Rinde herumkaute, mit der die Stadt Handel trieb. »Befehl der Priester aus Reynes. Sie müssen zum Großen Opfer in die Ruinen des Tempels da oben gebracht werden.«
Arekh stand wie erstarrt da. Über den Fall von Salmyra und Marikanis Verhaftung hatte er die Sache mit dem Ritual völlig vergessen und vage gehofft, dass der Plan im Brand der Stadt untergehen würde.
Aber das war nicht geschehen.
»Wie ist das möglich?«, fragte er schließlich. »Laosimba
… also, der Seelenleser … Er sagte, dass er erst in Reynes um Zustimmung ersuchen würde. Er kann kaum so schnell dorthin gelangt sein und Nachricht hierher gesandt haben.«
Der Häuptling zuckte mit den Schultern. »Ihr seid zu gut unterrichtet für mich, Reisender. Ich weiß nur, was in dem Brief stand.«
Der Brief, den alle Städte des Westens - oder zumindest die, die nicht durch Kriegseinwirkung unerreichbar waren - erhalten hatten, erklärte, dass angesichts des Erstarkens des Bösen und der Wiederkehr der Kreaturen der Abgründe ein Großes Opfer an dem Tag stattfinden würde, an dem die Rune der Knechtschaft in Konjunktion mit dem Stern des Fîr stand. Danach folgten die religiösen Argumente, die Arekh schon im Rat gehört hatte und von denen ihm fast schlecht wurde.
Der Brief zeigte das Wappen des Hohepriesters von Reynes, war datiert und unterschrieben und trug den Namen des Ortes, an dem er verfasst worden war: Ralen, westlich der Berge, etwa vierzig Meilen von Salmyra entfernt.
»Also ist Laosimba nicht nach Reynes zurückgekehrt«, bemerkte Marikani, als Arekh ihr die Neuigkeiten mitteilte. »Er hat haltgemacht, sobald er konnte, und seinen Plan in die Tat umgesetzt.«
Arekh nickte. »Er muss den Fall Salmyras auf den Einfluss des Bösen zurückführen. Er will die Kreaturen der Abgründe aufhalten …«
»Er will so schnell wie möglich die Tat vollbringen, die ihn in den Augen der Nachwelt unsterblich machen wird«, sagte Marikani mit zitternder Stimme. »Ich weiß noch
nicht einmal, ob er überhaupt daran glaubt … Ich weiß nicht, wie er so blind sein kann.« Sie schauderte, und Arekh hatte den Eindruck, dass sie Fieber hatte. »Wir müssen das verhindern, Arekh. Wir müssen eingreifen. Deshalb habe ich Harrakin ja auch gesagt … habe ihm gesagt, dass …«
Sie hatte alles verloren, sie hatte kein Geld, keinen Einfluss und hockte in Ketten in einem kleinen Haus im Nirgendwo - und doch wollte sie die religiöse Maschinerie aufhalten, die besser zermalmte als alles Kriegsgerät, das die Meriniden je erfunden hatten. Das hier ist kein Optimismus oder Idealismus mehr, es ist Wahnsinn , dachte Arekh. Es sei denn, sie glaubt selbst an nichts mehr und sagt diese Worte nur, weil sie muss, wie in einem Ritual, weil sie hofft, dass sie Wirklichkeit werden, wenn man sie laut ausspricht.
Und plötzlich ertrug Arekh es nicht mehr, die Ketten an ihren Handgelenken zu sehen. Er verließ das Haus, lieh sich Hammer und Meißel von einem Mann, der die Rüstungen der Krieger ziselierte, die sich gelegentlich in Nôm aufhielten, und einige Augenblicke später waren Marikanis Hände frei. Sie rieb sich die Unterarme und sah ihn unsicher an.
»In Ordnung«, sagte Arekh einfach. »Ich habe meine Vernunft ja ohnehin schon den Wüstengöttern zum Opfer dargebracht.« Marikani starrte ihn verständnislos an, und er wies nach Nordosten. »Einverstanden. Wir müssen sie aufhalten. Wie?«
Marikani ließ sich auf eine Bank fallen und lächelte bitter. »Ich wäre froh, wenn ich auch meinen letzten Rest Vernunft verloren hätte. Das würde mir vielleicht gestatten, das Unausweichliche besser zu ertragen … Denn wir können nichts tun, nicht wahr?«
Arekh glaubte, Piers Stimme zu hören: »… im großen
Fluss der Menschheit, dessen Lauf man unmöglich verändern kann …«
Nein, es gab eindeutig nichts, was sie tun konnten. Aber das wollte er nicht laut aussprechen, damit diese Worte nicht Wirklichkeit wurden.
»Lasst uns nachsehen, wohin sie Non’iama gebracht haben«, sagte Marikani und stand auf.
Kapitel 24
Es war einfach, Non’iama zu befreien. Sie gingen zur Amphorenhöhle, die nur von Männern aus Nôm bewacht wurde, die weder zahlreich noch besonders eifrig waren. Es reichte, dass Arekh an sie herantrat und fragte, ob er mit seiner Sklavin sprechen könne;
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