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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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jeder Stern eine Bedeutung; zu jedem Sternbild gab es eine Legende. Ich sah die Töchter der Götter im Wind flüstern und das Haar der Nymphen Wellenlinien im Eis bilden. Die Welt war verzaubert … Und all das habt Ihr zerstört. Jetzt ist der Himmel leer. Die Welt ist leer.«
    »Aber nein«, protestiere Marikani, »ganz und gar nicht! Woher kommen die Sterne? Ist es nicht noch viel magischer, ihr Geheimnis nicht zu kennen? Die ganze Welt ist ein Geheimnis«, fuhr sie fort, indem sie auf die Wüste deutete. »Ist das nicht wichtiger als das Geschwafel eines Priesters am Altar?«
    Arekh zuckte mit den Schultern. »Wenn Ihr in diesen Dingen ein Geheimnis erblickt, habt Ihr mehr Glück als ich. Ich sehe jetzt nur noch Sand.«
    Marikani starrte ihn an; ein Feuer funkelte in ihren dunklen Augen. »Keine Magie mehr?«

    Einen Moment lang konnte Arekh den Blick nicht von ihrem abwenden; dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf die kleine Sklavin, die, den Kopf auf einen Sari gebettet, tief und fest schlief.
    »Keine Magie mehr. Seid übrigens so gut und sprecht mit ihr nicht über Eure Philosophie«, sagte er, indem er auf Non’iama wies. »Sie hat nicht viel im Leben; nehmt Ihr nicht auch noch die Götter.«
    »Die Götter, die sie verflucht haben?«, fragte Marikani.
    Darauf konnte Arekh ihr keine Antwort geben.
     
    Am zweiten Tag sprachen sie über Harrakin, Aufrichtigkeit und Prinzipien. Der alte Streit begann von neuem: Arekh verkündete, dass es Wahnsinn sei, sich auf seinen Instinkt zu verlassen, dass sie eben das in den Abgrund gestürzt hätte; Marikani beharrte darauf, dass sie getan habe, was sie hätte tun müssen, ganz gleich, welche Folgen es hatte. Aber beide waren nicht mehr so überzeugt wie einst. Arekh hatte der »Vernunft« schon zu oft zuwidergehandelt, als dass er hätte behaupten können, zu leben, was er predigte, und Marikani strahlte nun einen Hauch von Bitterkeit aus, der an Zynismus grenzte. Sie waren nahe daran, sich darüber einig zu werden, dass das Schicksal absurd war und dass sie davon nicht viel verstanden.
     
    Am dritten Tag hackte ein Vogel ein Loch in den Schlauch.
    Es war ein großer Wüstengreifvogel, einer derjenigen, die begonnen hatten, die Leichen anzufressen, bevor Arekh sie dann begraben hatte. Dieselben Raubvögel kreisten manchmal über ihnen, als wüssten sie, dass sie nur geduldig auf ihre nächste Mahlzeit warten mussten. Sie hatten schon den Mehlsack angepickt, vielleicht in dem Glauben,
es handle sich um ein totes Tier, und am späten Nachmittag stürzte sich dann einer der Vögel ohne Vorwarnung auf den Wasserschlauch, der unbewacht am Rande des Teppichs lag. Nach drei Schnabelhieben hatte er genug gekostet, um zu wissen, dass das Leder des Schlauchs nicht nach seinem Geschmack war, aber ein Großteil des Wassers war schon aus dem Loch gesickert, bevor die Menschen reagieren konnten.
    Es waren nur noch einige Schlucke tief unten übrig, und vom folgenden Morgen an plagte sie der Durst.
     
    Der vierte Tag kam einem Sturz in die Hölle gleich. Die kurze Ruhepause hatte sie vergessen lassen, wie Leid sich anfühlte, aber ohne das Wasser traf sie die Grausamkeit der Wüste trotz des schützenden Schattens von neuem. Der Tag zog sich endlos in die Länge, während sie ausgestreckt unter ihren Tüchern im Schatten lagen. Aber die Hitze schien überallhin zu dringen, durchs Holz, durch den Sand unter dem Teppich. Ihre Lippen wurden rissig, ihre Haut begann auszutrocknen. Bald war jede Bewegung schmerzhaft, jeder Gedanke fiebrig.
    Dennoch zündeten sie am Abend erneut ein Feuer an. Marikani streckte sich wieder aus, richtete den Blick zum Himmel und begann zu lachen, als könne sie nicht damit aufhören.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass ich an Eurer Seite sterben würde, Arekh es Morales«, sagte sie mit heiserer Stimme, als er sie fragte, was denn so lustig sei.
    »Was hattet Ihr denn sonst vor?«, fragte er heftig. »Hier leben?«
    »Das war in der Tat meine Absicht. Ich habe das Leben dem Tod stets vorgezogen. Ihr hingegen scheint
mir Geschmack am Schmerz zu finden, wenn Ihr mir die Beobachtung gestattet.«
    Die kleine Sklavin, deren Gesicht vor Durst ganz verhärmt war, musterte sie besorgt.
    Arekh stand verärgert auf. »Nein, die gestatte ich Euch nicht, Ayashinata«, erwiderte er heftig, und Marikani richtete sich auf, erstaunt über seinen Tonfall. »Was wisst Ihr schon von Schmerz? Ihr seid in Samt und Seide aufgewachsen, wurdet mit den köstlichsten

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