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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Gespräch entgehen wollte, musste sie in Bewegung bleiben, die Tänzer umkreisen, als wolle sie die Zeremonie bewundern. Sobald sie auch nur kurz stehen blieb, würden sich die Höflinge wie Geier auf sie stürzen, und der Kopf tat ihr so weh, dass sie sich nicht in der Lage fühlte, die anmutigen, heiteren, verlogenen Sätze zu sprechen, die man von ihr zu hören erwartete. Ein Diener kam mit einem Tablett vorbei, und sie nahm sich ein Glas mit aromatisiertem Wein, trank es in einem Zug aus und griff von einem plötzlichen Drang überkommen nach einem zweiten, das sie ebenfalls leerte. Als sie aufsah, begegnete sie dem amüsierten Blick einer der schönsten, reichsten und modischsten Damen des Hofes, die gerade eingetroffen war. Vashni. Mit einem Lächeln auf den Lippen drängte
sie sich durch die Menge, wie ein Boot die Fluten durchpflügt. Marikani konnte ihr nicht entgehen.
    »Ayashinata, der Wein ist stark, das wisst Ihr doch. Flieht Ihr die Wirklichkeit, weil Eure Untertanen Euch so gierig die Geschichte Eurer Nacht entreißen wollen?«
    Obwohl sie natürlich nicht verstehen konnte, was sich in Marikanis Seele abspielte, hatte Vashni die Gabe, richtig zu raten. Unter dem allzu durchdringenden Blick ihrer Freundin fühlte Marikani sich plötzlich nackt. Sie hatte wirklich keine Lust zu reden - und schon gar nicht mit jemandem, der intelligent war.
    »Ich denke an die Treffen, die morgen vor mir liegen«, sagte sie mit einer kleinen Kopfbewegung. »Ich glaube, ich muss jetzt ein wenig allein sein.«
    »Ich weiß nicht, ob Euch das hier gelingen wird«, erwiderte Vashni lachend, begriff aber die Botschaft und schloss sich nach einem kleinen, amüsierten Abschiedsnicken einem der herumstehenden Grüppchen an.
    Marikani ging weiter, nahm sich noch ein Glas Wein und schlenderte erneut um die Tänzer herum. Die Musik dröhnte, die Höflinge drehten sich, die Masken grinsten höhnisch in einer Flut warmer Farben und durchscheinender Stoffe, während sie von den Grüppchen, an denen sie vorbeikam, Gesprächsfetzen auffing.
    »… die Senkung der Getreidesteuer in den sieben Freien Städten ist gar nicht mal so entscheidend, wenn man bedenkt …«
    »… blau, meine Liebe, ihr Kleid war einfarbig blau und verriet einen unverzeihlich schlechten Geschmack …«
    »… und eines Tages wird aus Harabec eine große Flamme her vorgehen, und diese Flamme wird die Königreiche in Brand setzen. Wenn die Vorzeichen zutreffen, dann …«

    Marikani blieb einen Moment lang mit gerunzelter Stirn stehen. Sie kannte die Prophezeiung natürlich auswendig; sie war ein Teil der Geschichte Harabecs. Vorzeichen und Opferdeutungen kündigten an, dass sie bald, vielleicht sogar noch unter Marikanis Herrschaft, in Erfüllung gehen würde - was Marikani jedoch völlig gleichgültig war. Sie glaubte weder an Prophezeiungen noch an Vorzeichen, aber es gefiel ihr nicht, dass die Gerüchte, die im Augenblick in der Bevölkerung und sogar im Adel umliefen, eine »Katastrophe« vorhersagten. Besorgnis war für den Handel niemals gut.
    Das Wort »Handel« ließ sie an Exporte denken, die Exporte aus den Bergwerken … Das Tablett kam wieder vorbei, und ohne zu wissen, wie, fand sie sich mit einem neuen Glas Wein in der Hand wieder, und ohne zu wissen, warum, trank sie es und begann weiter im Kreis zu schreiten wie eine Löwin, die ihr Revier absteckt.
    »… das beste Gebäck, das ich je gegessen habe! Aber ihr Wein dagegen …«
    »… und ihr Ehemann hat sich auch nicht weiter darüber aufgeregt, ich habe mir sogar sagen lassen, dass sie gut miteinander befreundet sind …«
    »… drei Sklaven, drei , und alle lagen sie am Ende tot auf dem Parkett …«
    »… werden wohl noch vor Mitternacht eintreffen. Banh hat Gemächer für sie vorbereiten lassen, aber Laosimba will sein Urteil über die Bergleute fällen, bevor er sich ausruht. Die Delegation …«
    Laosimba. Die religiöse Delegation. Die Seelenleser. Also würden sie noch eher eintreffen, als der Hohepriester angenommen hatte. Da sie spürte, dass sie nicht weiter im Kreis laufen konnte, ohne sich lächerlich zu machen,
mischte Marikani sich unter die Tänzer. Sie hob die Maske, die sie sich ausgesucht hatte - eine Tigerin mit violettem Fell und blauen Augen -, vors Gesicht.
    Drei Schritte nach links, die Hand des Botschafters von Kiranya ergreifen, der trotz seiner Löwenmaske an seinem Leibesumfang zu erkennen war. Drehung. Drei Schritte nach rechts, grüßen, einen Schritt nach vorn,

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