Pakt der Könige
heulenden Hunde, die sie in den Bergen verfolgten … Weitere Schreie … Neue Stimmen und das Klirren von Metall auf Metall …
Und eine Hand packte sie, zog sie hoch, rettete sie, riss sie aus dem Meer von Gewalt und Schmerz, in das sie gestürzt war. Die Angreifer, die von irgendetwas oder irgendjemandem zurückgestoßen worden waren, wichen zurück, während Marikani spürte, wie sie ihr Gleichgewicht auf den Felsen wiederfand.
Dieselben starken Hände nahmen sie bei den Schultern, richteten sie auf, und Marikani seufzte.
»Arekh …«, sagte sie, unendlich erleichtert.
Die Hände auf ihren Schultern erstarrten.
»Nicht ganz«, sagte schließlich eine vertraute Stimme.
Entsetzen und ein schlechtes Gewissen ließen Marikani mit einem Schlag wieder zu sich kommen. Sie öffnete die Augen, und alles kehrte an seinen Platz zurück.
Die Feuer erhellten das Lager. Dort unten kämpften im Licht der Fackeln der Soldaten in Purpur gekleidete Reiter aus Harrakins königlicher Garde gegen Angreifer, die auf dem Rückzug waren. Einige der feindlichen Reiter flüchteten schon in Richtung der Berge. Zu Marikanis Füßen lagen vier Leichen, und drei Gestalten flohen in die Dunkelheit.
Keine Spur von dem Geschöpf.
Sie drehte sich um. Harrakin, der sie, das blutige Schwert in der Hand, seltsam ansah; das Licht der Flammen erhellte sein Gesicht.
Einen Moment lang blickten sie einander schweigend an.
»Mein Name ist Harrakin «, sagte er dann mit einer kleinen Verbeugung. »Erinnert Ihr Euch vielleicht an mich, meine Liebe? Euer Ehemann. Derjenige, dem Ihr vor der Arrethas-Statue die Hand gereicht habt. Der, der Euch gerade das Leben gerettet hat, der Euch zu Hilfe geeilt ist und die Pferde im Galopp fast zuschanden geritten hat, als er Euren Brief erhielt …«
Marikani schüttelte den Kopf, um einen Rest der Benebelung zu verscheuchen. Dann lachte sie gezwungen. »Es … tut mir sehr leid«, stammelte sie. »Die Droge … Man hat mir Drogen gegeben.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Ich … Ein Offizier. Er war mit den Angreifern im Bunde, da bin ich mir sicher. Man muss ihn aufhalten … festnehmen …«
Harrakin nickte knapp und winkte drei Soldaten heran.
Dann stieg er nach einem letzten Blick auf seine Frau ins Lager hinab.
Kapitel 8
Die Delegationen des Emirs, des jungen Königs von Kiranya und des Hohepriesters von Reynes waren schon längst unterwegs, als bekannt wurde, dass die Karawane der Königin von Harabec angegriffen worden war. Der Bericht über den Hinterhalt ließ die Sekretäre, Ratsherren und Kaufleute erschauern, die durch die Korridore des Palasts von Salmyra hasteten.
Eine Königin, angegriffen.
Von einer Kreatur der Abgründe.
Die Panik breitete sich wie eine Welle im Kreise der Eingeweihten aus. Ein Geschöpf der Abgründe … So weit vom Norden entfernt, auf den ihre Angriffe sich bisher konzentriert hatten … So nahe an Salmyra … So nahe bei ihnen …
Theoretisch wussten die drei Shi-Âr, die Soldaten, die Priester, die Händler, die Nomaden und alle anderen Mitglieder der sehr uneinheitlichen »Verteidigungsmacht« der Stadt natürlich, dass genau dies die Bedrohung war. Ihretwegen würde ja schließlich das Große Konzil stattfinden. Weil der Gott, dessen Namen man nicht nannte, in den westlichen Landen erwachte. Weil die verfluchten Kreaturen, die er erschaffen hatte, aus den Klüften und Ödlanden
hervorströmten, in die sie für so lange Zeit verbannt gewesen waren.
Theoretisch wussten sie das.
Theoretisch .
Denn all das war so weit entfernt. Die wahre Gefahr bestand für die Soldaten auf den Mauern und die Ratsherren am Verhandlungstisch in den Meriniden, den Vahar, den Banditen … in Männern, Menschen , in Plünderern oder verängstigten Frauen und Kindern, die man hinter die Grenzen zurücktrieb und auf den öden Felsen verhungern ließ. Die Feinde waren für den Augenblick Wesen aus Fleisch und Blut und der Krieg eine Gefahr, die man gut kannte.
Dagegen war das fleischgewordene Böse sehr fern und unwirklich geblieben: verkrümmte Geschöpfe, die aus dem Wahnsinn eines Gottes geboren waren, ausgehungerte Fabelwesen, die sich von Blut ernährten …
Jetzt war es anders.
Im Palast herrschte hektisches Treiben, und die Gesichter waren ernst. In den Gärten standen drei kleine Tempel - nur drei, obwohl alle anderen Städte der Königreiche einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Einkünfte darauf verwendeten, zu Ehren der Götter gewaltige Gebäude zu errichten und zu
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