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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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und war von fürchterlichen Krämpfen geschüttelt worden. Seine Worte waren abgehackt und unzusammenhängend gewesen. Die Zeugen hatten »Geschöpfe der Abgründe« verstanden, »Musik«, »Gemetzel«, »Blut« und »Ritual«. Zu allem Elend war der Mann auch noch vor dem Palast zusammengebrochen, mitten in einer Gruppe von Männern, die sich abends dort trafen, um zu rauchen. Die Nomaden der Leibgarde der Shi-Âr hatten das Problem erst spät erkannt und dann gezögert, ihn in den Palast zu bringen. Die Raucher hatten alles gehört.
    Ganz Salmyra würde noch vor der Morgendämmerung auf dem Laufenden sein.
    »Wir müssen die Leichen entfernen, bevor Schaulustige herkommen, um zu gaffen«, sagte Arekh zu Essin.
    Keine Antwort. Arekh hob den Kopf und sah, dass sein Nâla-Di, der den Stern anstarrte, sehr blass war.
    »Essin«, wiederholte Arekh sanft.
    »Zu Befehl, Aida.«
    Essins Stimme war schwach, und es kostete den jungen Adligen aus dem Emirat sichtlich Mühe, sich zu seinen
Männern umzudrehen. »Absitzen!«, rief er. »Räumt die Leichen weg! Wir werden das alles verschwinden lassen!«
    Die Nâlas saßen ab, traten vor - und blieben vier Schritte von dem Stern entfernt stehen. Abergläubisches Entsetzen leuchtete aus ihren Augen.
    »Möge … Fîr uns beschützen«, stammelte ein Soldat. »Möge Fîr uns beschützen - das Böse hat Gestalt angenommen.« Er senkte die Stimme und fügte flüsternd hinzu: »Das Böse ist unter uns …«
    Und das sind die Elitetruppen des Emirs , dachte Arekh und spürte, wie sich eine Kälte, die nicht von der Nacht herrührte, auf seine Schultern senkte. Sie hatten sicher schon zahlreiche Massaker gesehen und selbst mehr als eines angerichtet. Wenn schon ihre Reaktion so aussah, wie konnte man dann erwarten, dass die Bevölkerung von Salmyra Ruhe bewahren würde?
    »Tretet vor«, sagte Essin kalt; er schien sich wieder gefangen zu haben. Um mit gutem Beispiel voranzugehen trat er zwei Schritte vor, näherte sich der roten Linie … zögerte …
    Mit einem verärgerten Seufzen überschritt Arekh die Linie, betrat das Innere der Zeichnung und löschte dann mit einer raschen Fußbewegung einen Teil der Linie aus. Dann nahm er ein Leichenteil und warf es nach links hinüber, wo es mit einem weichen Klatschen niederging. Er packte einen Arm, warf auch ihn, dann ein Bein, häufte einen kleinen Hügel menschlicher Gliedmaßen auf.
    »Wir werden sie verbrennen«, sagte er ruhig. »So, wie wir es mit den Banditen gemacht haben. Vorwärts, Soldaten!«
    Einer nach dem anderen kamen die Nâlas zu ihm herüber und machten sich an die Arbeit.

    Arekh und seine Männer kehrten in der Morgendämmerung nach Salmyra zurück; sie brachten einen Arm, ein Gefäß mit der Flüssigkeit, die so gut brannte, und eine Kopie der Zeichnung auf dem Boden mit, die Arekh Pier geben wollte, damit er sie deutete. Aber Pier war schon zu einem außerplanmäßigen Treffen mit den Ratsmitgliedern gerufen worden, und man bat auch Arekh hinzu.
    Am Himmel vermengte sich Schiefergrau mit Violett und orangefarbenen Streifen. Die Offiziere und Ratsherren, die in der ersten Morgenröte zusammengerufen worden waren, wirkten abgekämpft. Nur zwei Shi-Âr waren anwesend; ihre bunten Gewänder hatten an Strahlkraft eingebüßt. Die hochrangigen Bürger Salmyras glichen exotischen Blumen, dachte Arekh. Im Sonnenschein blühten sie auf, aber in trüben Stunden verloren sie ihren Zauber und ihre Stärke.
    Wenn die Gesichter grau waren, lag das nicht allein an der frühen Stunde. Furcht lastete auf der Versammlung. Arekh begriff, dass er sicher der Einzige war, den die Lage nicht mit gewaltigem Entsetzen erfüllte. Nein, nicht ganz der Einzige, wie er feststellte, als er Pier ansah. Die Augen des Priesters funkelten, nicht vor Freude, sondern vor Neugier und Erwartung. Was alle als Bedrohung sahen, nahm er als Phänomen wahr. Als Forschungsobjekt. Endlich hatte er Gelegenheit, seine Fähigkeiten und Kenntnisse praktisch anzuwenden.
    Shi-Âr Ranati, der Älteste im Rat, ergriff als Erster das Wort. Es war seltsam, ihn so dasitzen zu sehen - ohne Diener, ohne Sklaven, ohne seine junge Frau mit ihren goldenen Schleiern, die ihm ständig Luft zufächelte. Es war das erste Mal, dass Arekh ihn aus solcher Nähe sah. Ohne sein Gefolge war Ranati nur ein Händler mittleren Alters,
der durch Leckereien und einen Mangel an Bewegung fett geworden war - und der angesichts einer Situation, die seine Fähigkeiten überstieg, ins Schwimmen

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