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Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte

Titel: Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Unke.
    Ihr lauernder Ton gefiel Pala überhaupt nicht. Widerborstig antwortete sie: »Das geht dich gar nichts an! Ich mag keine Kröten. Geh weg und fang Fliegen.«
    »Ich bin ein Klatschmaulfrosch. Du scheinst hier fremd zu sein, sonst wüsstest du das.«
    »Schön für dich. Darf ich jetzt in Ruhe nachdenken?« Für Pala war die hässliche Warzenhaut eine Kröte und wenn sie noch so oft das Gegenteil behauptete. Das Mädchen verschränkte die Arme vor der Brust und blickte angestrengt auf den See hinaus. Wenn sie sich furchtlos gab und dem Monstrum keine Beachtung schenkte, würde es sich vielleicht von allein verdrücken.
    Diese Hoffnung blieb unerfüllt. Um ihre Wichtigkeit ins rechte Licht zu rücken, fügte die Unke hinzu: »Und außerdem bin ich die Hüterin des Platten Meers.«
    »Keine Angst, deinem Teich passiert schon nichts.«
    »Und trotzdem willst du hinüberkommen? Ohne Wellen oder auch nur ein winziges Gekräusel zu machen? Vergiss es, Kleine. Das hat noch keiner geschafft. Es ist unmöglich. Kehr um.«
    Die Taktik des Klatschmaulfrosches war durchschaubar. Vermutlich bildeten er und sein flacher See das letzte Bollwerk vor Zittos Zitadelle. Er wollte Pala vertreiben, ihren Widerstandswillen durch seine Unkerei zermürben, ihre Gedanken ebenso verschleimen wie zuvor das Nuschel…
    In einem Punkt hatte die Kröte jedoch Recht, machte sich Pala klar. Schon ein winziger Kieselstein konnte riesige Ringe auf das Wasser zaubern. Wenn seine dünne Haut also wirklich nicht bewegt werden durfte, wie das breitmäulige Ungetüm angedeutet hatte, dann dürfte es fürwahr unmöglich sein, über den See zu gelangen.
    »Wie lässt sich das Wasser überqueren, ohne seine Oberfläche auch nur im Geringsten zu kräuseln?«, murmelte Pala das neue Rätsel.
    »Wenn dir das gelingt, werde ich euch nicht fressen«, versprach die Kröte und schnappte sich mit ihrer pfeilschnellen Zunge einen der Kürbisse dicht neben Palas Füßen.
    »Darf ich mich setzen?«
    »Tu dir keinen Zwang an.«
    Pala zog sich einen blauen Kürbis heran und ließ sich darauf nieder. Das Nuschel blieb in der Deckung ihres Fußgelenks, um das es sich fühlbar schleimig schmiegte. Unter den kalten Augen der Kröte wagte es nicht, seiner Leidenschaft zum Herumrennen zu frönen.
    »Wie kann man einen See überqueren, ohne Wellen zu machen?«, murmelte Pala erneut das Rätsel. Sie verfiel in eine nachdenkliche Starre, die sogar die Bewegungslosigkeit der Kröte übertraf. Am Hals des Ungetüms schien ein Blasebalg eingebaut zu sein, der dem massigen Körper regelmäßig Frischluft zuführte. Palas Herz pochte heftig. Nur ab und zu saugte sie an der Strähne, die sie sich in den Mund gesteckt hatte.
    Wie könnte man das Platte Meer am besten beschreiben?, fragte sie sich. Es war außergewöhnlich flach. Fast sein ganzes Wasser befand sich an der Oberfläche. Aber das war nur ein Trugbild, denn sein Grund befand sich in unerreichbarer Tiefe und seine Gestade ließen sich nicht umrunden…
    »Man muss den Dingen auf den Grund gehen, sich nicht mit Oberflächlichkeiten abspeisen lassen«, flüsterte sie. Die Augen der Kröte blinzelten einmal kurz, blieben ansonsten starr, grün und kalt. Wieder drängten sich Pala die Bilder jenes schicksalhaften Abends auf, als Mutter und Vater sie mit hitzigen Worten entwurzelt, ihr den Boden unter den Füßen entzogen hatten. Erst dadurch war sie gezwungen worden, in die lichtlosen Regionen ihrer frühesten Kindheitstage einzutauchen, deren wirkliche Tiefe sie zuvor bestenfalls erahnen konnte. Ja, bis zur Stunde – schlagartig wurde sich Pala dessen bewusst – war sie den drängenden Fragen nicht wirklich auf den Grund gegangen, hatte geglaubt, von einem unbekannten Vater und einer namenlosen Mutter lieblos verstoßen und in die Hände eines bis dahin kinderlosen Ehepaars gelegt worden zu sein, Ersatzeltern nur, die in ihr nicht die eigene Tochter sahen, sondern einen Nützling, an dem man seine elterlichen Gefühle austoben konnte, dem man aber sonst nichts schuldete, schon gar nicht die Wahrheit.
    »Oberflächlichkeiten«, wiederholte Pala leise und spürte einen kleinen Schwindel. Wie eine Sprungfeder schnellte sie in die Höhe. »Ich hab’s!«
    »Noch so eine ungestüme Bewegung und du kannst in meinem Bauch weitergrübeln«, warnte die Kröte.
    »Was wir brauchen, ist Klarheit an Stelle von Oberflächlichkeit, Licht im Dunkel der Irrungen.«
    »Wie tiefsinnig!«, spöttelte die Kröte.
    »Man kann den See

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