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Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte

Titel: Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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durchschreiten, wenn man zuvor sein Wasser im Wahrheitslicht verdunstet hat. Er ist ja nur Oberflächlichkeit, eine einzige flache Pfütze. Die Sonne schafft das schnell.«
    Die Kröte war nun beleidigt. Sie sagte nichts, pumpte nur in hohem Tempo Luft durch ihren Körper.
    »Stimmt’s oder habe ich Recht?«, fragte Pala grinsend.
    »Im Prinzip schon«, sagte die Kröte und fügte, nicht ohne eine gewisse Schadenfreude, hinzu: »Dann warte mal schön. Scheinst ja eine Menge Zeit zu haben. Du kannst natürlich auch gleich durch das Platte Meer waten; ist nicht tief.« Wieder versank sie in Schweigen und glotzte das Mädchen aus ihren kalten Augen an.
    Offenbar hatte Zitto, jemandem gleichend, der ein Schloss zweimal zuschließt, so nahe bei seiner Festung verschärfte Sicherheitsvorkehrungen getroffen, weshalb das Lösen eines einzelnen Rätsels nicht ausreichte. Das Ungetüm schien nur auf einen Fehler des Mädchens zu warten. Es hoffte offenbar, Pala würde ihren Fuß ins Platte Meer setzen, aber den Gefallen wollte sie ihm nicht tun. Unsicher blickte sie auf das spiegelnde Wasser hinaus. Man konnte den Himmel darin sehen: graue Wolken. Mit Schaudern erinnerte sie sich jenes riesenhaften Schlitzes, hoch über Silencia, der sich bei ihrem Eintritt in Zittos Schlossgarten wie der Spalt einer Kerkertür geschlossen hatte. Wenn es hier keine Sonne gab, würde der See wohl nie auszutrocknen sein. Falls Zitto ihr Licht dagegen nur verhüllt hatte…
    »Ich brauche etwas Neues«, murmelte Pala. Diesmal blinzelte die Kröte zweimal, was Pala als Zeichen von Beunruhigung deutete. Die begabte Wortschöpferin musste nicht lange nachdenken. Schon nach kurzer Zeit warf sie die Arme in die Höhe und rief: »Her mit dem Wolkenschlund!«
    Augenblicklich begann die Erde hinter ihr zu rumpeln. Nein, dies war kein neuer Umbau von Zittos Bühne in diesem gartenhaften Traumtheater, es handelte sich um ein leibhaftiges Erdbeben.
    Die Kröte zwinkerte verdutzt. Nuschel sprang auf Palas Arm. Sie selbst stolperte von dem Zentrum des Rumorens fort, gerade rechtzeitig, um dem Klatschmaulfrosch während seines Abgangs nicht ins Gehege zu kommen. Unter ihm tat sich ein großes Loch auf und verschluckte ihn gerade so, wie er sich vordem die Kürbisse einverleibt hatte. Hiernach verschwand der größte Teil des Feldes in dem Wolkenschlund, und das war erst der Anfang.
    Im Rückwärtstaumeln konnte Pala sehen, wie sich ein dünner Dunstfaden vom Himmel löste, hauchfeinen Wollflusen am Spinnrocken gleich, die kluge Hände mit einer Spindel zusammendrehten. Die nebelhaften Fasern strudelten zu Boden und wurden in das Loch gesaugt. Schnell verbreiterte sich der graue Wirbel, bis Himmel und Erde eine Wolkensäule, so dick wie der Schlund selbst, verband. Man konnte jetzt wunderbar verfolgen, wie der Himmel heller wurde. Wenig später erstrahlte er in prächtigstem Blau und die Sonne lachte dazu.
    »Das mit der Kröte tut mir Leid«, murmelte Pala und blickte traurig auf den Wolkenschlund, der sich nun, da es nichts mehr zu fressen gab, langsam schloss. Ihre Linke streichelte derweil ein verklebtes Fell.
    »Wolk’n kann-man nich’ töt’n. Sie komm’n irgendwann wieder. Mit Klatschmaulfrösch’n is’ es genauso«, sagte Nuschel ohne rechte Anteilnahme:
    In der Nähe entdeckte Pala einen länglichen Kürbis, den der Wolkenschlund verschmäht hatte, auf den setzte sie sich. Nun ließ sie die Sonne für sich arbeiten und selbige legte sich mächtig ins Zeug. Man konnte zusehen, wie das flache Wasser des Platten Meers verdunstete. Ohne sich auch ein einziges Mal zu kräuseln, wurde die Oberfläche immer kleiner, bis schließlich nur noch ein winziger feuchter Fleck übrig geblieben war.
    »War ‘ne gute Idee«, nuschelte Nuschel anerkennend.
    »Ist nicht schwer gewesen«, wiegelte Pala ab. Sie erhob sich von ihrem Sitzkürbis und setzte ihren Marsch fort, schnurstracks auf Zittos Burg zu. Dabei begann sie ein fröhliches Lied anzustimmen, in dem sich eine Strophe regelmäßig wiederholte.
     
    Im Lügentümpel fette Kröten brunsten,
    des Truges Brut sind unheilvolle Quappen,
    doch Wahrheitslicht kann ihren Sumpf verdunsten.
     
    Das Gelände unterhalb des Schlossberges war überraschend zerklüftet. Risse und abgrundtiefe Brüche durchzogen den Boden. Um ihnen auszuweichen, musste Pala in eine Senke hinabsteigen. Statt also endlich den Aufstieg zu beginnen, geriet sie immer tiefer unter die Festung. »Es ist nur eine neue Schikane Zittos«,

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