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Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte

Titel: Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sich derweil das Spannörgel bis auf eine letzte Keule einverleibt. Er wies Pala einen Platz zu seiner Linken an. Wie aus dem Nichts erschien ein Bauchbindenjambus und schob ihr einen der hochlehnigen Stühle unters Gesäß.
    »Ihr scheint eine Vorliebe für allerlei Krabbelzeug zu haben«, sagte Pala, während der Page wieder unauffällig in die dämmrige Tiefe des Raumes entschwand.
    Der Schlossherr wischte sich die fettigen Finger am Mantel ab und schmatzte: »Das mag wohl wahr sein. Beinahe drei von vier Tieren auf der Welt gehören den Gliederfüßern an. Die Menschen mögen sie abstoßend finden, doch ihre stille Übermacht hat Uns schon immer fasziniert.« Zitto deutete einladend auf die knochenübersäte Silberplatte. »Spannörgel gefällig?«
    »Nein, danke. Mir ist der Appetit vergangen.«
    Er riss dem Nörgel das Bein aus und versenkte seine Zähne darin. Malmend fragte er: »Wie wäre es mit pflanzlicher Kost, ein wenig Brot vielleicht? Es ist aus bestem Buchweizenmehl hergestellt.«
    Argwöhnisch betrachtete Pala die braunen Fladen in dem geflochtenen Weidenkorb. » Buch weizen?«
    »Aber ja doch! Man braucht nur einige zermahlene Bücher, die keiner mehr lesen wollte, und…«
    »Ihr wollt wohl sagen, die Ihr den Menschen abspenstig gemacht habt. Nein, danke.«
    »Dann nehme Sie wenigstens etwas von den jungen Rüben.«
    Pala vernahm ein Rumoren. War das ihr knurrender Magen oder kam es von draußen? Sie lehnte ab. »Gibt es hier auch richtiges Wasser?«
    Zitto deutete unwirsch auf einen silbernen Krug, neben dem mehrere Becher standen. »Da! Bediene Sie sich.«
    Während Pala sich noch von dem klaren Nass einschenkte, kam plötzlich der Hauptjambus in den Saal gelaufen. Er blieb vor Zitto stehen, verneigte sich mit hörbarem Knirschen und sagte: »Hoheit, die Burg wird angegriffen!«
    Zitto bohrte sich mit dem Nagel des kleinen Fingers in einer Zahnlücke herum, schnipste ein Stück Nörgel hinweg und erwiderte gelassen: »Das hat aber lange gedauert.«
    Pala und der Jambus sahen den Herrn der Zitadelle verständnislos an. Der deutete lächelnd auf das Mädchen und erklärte seinem Leibgardisten: »Dieses Kind hier hat den Bann gebrochen, der über dem Weg zur Festung lag. Die Wortklauber sind ihr gefolgt und nun zetern und wüten sie, weil sie Uns gerne das Herz aus dem Leibe reißen würden, obwohl es da doch längst keines mehr gibt. Das soll Ihn aber nicht beunruhigen, Jambus. Sobald die Klauber den Burggraben überqueren, werden sie flügellahm. Also lasse Er sie ruhig schreien da draußen.«
    »Aber da ist noch jemand anderes bei ihnen, Hoheit, ein junger Mann.«
    Pala horchte auf. Giuseppe! Der Gedanke an ihren Freund ließ ihr Herz höher schlagen.
    »Er meint, ein leibhaftiger Mensch?« Zittos Blick wanderte kurz zu dem Mädchen hin, kehrte aber gleich wieder zum Hauptjambus zurück. »Wie auch immer, der Gute wird wohl nicht fliegen können. Nötigenfalls lasse Er ein wenig siedendes Öl über die Rebellen ausschütten, alles andere wird sich dann bald von selbst erledigen. Und nun eile Er aufs Dach und erteile die entsprechenden Anweisungen. Alsdann kehre Er hurtig zurück, vielleicht brauchen Wir Ihn noch.«
    Der Jambus verbeugte sich noch einmal und lief rasch in Richtung Ausgang. »Aber gebe Er mir Acht, damit sich das Öl nicht entzünde!«, rief ihm Zitto hinterher. Dann war die Schabe verschwunden.
    »Siedendes Öl?«, keuchte Pala und funkelte Zitto zornig an. »Das ist ja wie im Mittelalter. Ihr dürft das nicht tun!«
    »Wir sind der notariell beurkundete Eigentümer dieser Burg und die anderen versuchen sie zu stürmen. Ist es nicht recht und billig, Uns zu verteidigen, wie wir es schon immer getan haben?«
    »Schon immer?«
    Zitto nickte. »Bereits seit hunderten von Jahren – mit wechselndem Erfolg, wie Wir eingestehen müssen.«
    Pala glaubte, sich verhört zu haben. »Ihr redet von Eurer Familie. Sie hat die Burg über Generationen hinweg verteidigt.«
    »Wir sprechen von Uns. Wir sind der rechtmäßige Erbe dieses Besitzes. Viel zu lang mussten Wir uns wie lichtscheues Gesindel in den Gängen unter dem Turm verbergen, zeitweilig sogar in ferne Lande fliehen. Schlussendlich haben Wir uns zurückerobert, was schon immer Unser war.«
    Ungläubig schüttelte Pala den Kopf. Zitto sah zwar ziemlich alt aus, aber nicht wie einer, der schon mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel hatte. »Ihr macht Euch über mich lustig.«
    Zittos eisige Augen erforschten einen Moment ihr trotziges

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