Paladin der Seelen
erwürgt und den Göttern zum Fraß vorgeworfen.«
»Den Kötern, wollt Ihr sagen?«, berichtigte sie der nervöse Stallknecht, der das Tier noch an der Leine hielt.
»Denen auch«, erwiderte Ista. »Nimm die Nasenbremse ab und tritt zurück.«
»Majestät …?«
»Es ist gut.«
Der Knecht wich zurück. Zitternd stellte das Pferd die Ohren auf, beugte den Hals und drückte unterwürfig den Kopf gegen Istas Oberkörper. Es stupste sie kurz an und hinterließ eine Spur aus roten Pferdehaaren auf dem schwarzen Seidenkleid. Dann stand es vollkommen still.
»Macht Ihr so etwas öfter?«, erkundigte sich Illvin und schlenderte herbei. Mit äußerster Vorsicht streckte er die Hand aus und versetzte dem Tier einen prüfenden Klaps auf den Hals.
»Nein.« Ista seufzte. »Es war ein Tag voll einzigartiger Erfahrungen.«
In Vorbereitung auf die Rolle, die er zu spielen hatte, war Illvin schlicht gekleidet. Er trug leichte Leinenhosen und sein funkenversengtes Hemd. Arhys sah so sehr wie bei ihrer ersten Begegnung aus, dass Ista den Atem anhielt. Nur, dass seine Rüstung und sein Wappenrock nicht blutbespritzt waren. Noch nicht. Er lächelte, als sie an seine Seite trat.
»Auf ein Wort, Majestät, bevor ich aufbreche. Auf zwei Worte.«
»So viele, wie es Euch beliebt.«
Er senkte die Stimme. »Zuerst einmal danke ich Euch, dass Ihr mich habt durchhalten lassen, bis sich die Gelegenheit zu einem besseren Tod ergab. Einen, der weniger schändlich ist, weniger bedeutungslos und dumm als mein erster.«
»Vielleicht können unsere Männer dich in dieser Hinsicht immer noch überraschen«, warf Illvin barsch ein. Auf der gegenüberliegenden Seite des Vorhofes bereitete ein knappes Dutzend Soldaten ebenfalls die Reittiere vor. Pejar war unter ihnen. Ista bemerkte, dass sein Gesicht vom Fieber gerötet war. Er hätte auf einem Krankenbett liegen sollen, statt an diesem Unternehmen teilzuhaben. Dann fragte sie sich, wie viele Männer in Porifors inzwischen überhaupt noch laufen konnten.
Arhys lächelte seinem Bruder kurz zu und unterließ es, ihm zu widersprechen, ihn zu berichtigen oder ihn dieser schwachen Hoffnung zu berauben. Er wandte sich wieder an Ista. »Zweitens möchte ich Euch um ein Gefallen bitten.«
»Alles, was in meiner Macht steht.«
Seine klaren Augen betrachteten sie mit brennender Eindringlichkeit. »Wenn dieser dy Lutez heute Nacht gut zu sterben versteht, dann lasst damit jenes Unternehmen abgeschlossen sein, das vor so langer Zeit unvollendet blieb. Welchen Sieg ich auch immer erringen mag – lasst ihn für immer jenes alte, kalte Versäumnis auslöschen. Und seid geheilt von der lang anhaltenden Wunde, die ein anderer dy Lutez Euch zugefügt hat.«
»Oh«, sagte Ista. Oh. Sie wagte es nicht, ihre Stimme brechen zu lassen. Eine Aufgabe hatte sie noch zu erfüllen. »Auch mir wurde eine Botschaft für Euch mitgegeben.«
Er wirkte verblüfft. »Seit einem Tag hat kein Kurier den jokonischen Belagerungsring durchbrochen. Was für ein Bote soll das gewesen sein?«
»Ich habe ihn gerade erst auf den Treppen getroffen. Und dies ist die Botschaft.« Ihre Stimme klang belegt, und sie schluckte.
»Euer Vater ruft Euch an seinen Hof. Ihr braucht nicht zu packen. Ihr geht, wie Ihr seid, und Euer Ruhm soll Euch kleiden. Er wartet sehnsüchtig an den Toren seines Palasts, um Euch willkommen zu heißen, und er hat einen Platz am Ehrentisch an seiner Seite vorbereitet, in der Gesellschaft der großen Seelen, der Geehrtesten und Höchstgeschätzten. So lautet die Botschaft. Neigt Euer Haupt.«
Erstaunt, mit weit aufgerissenen Augen, kam er der Aufforderung nach. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Seine blasse Haut war weder heiß noch kalt, und kein Schweiß glänzte darauf. Ihr Mund schien einen flüchtigen Kranz von Raureif zu hinterlassen, der in der schweren Nachtluft dampfte. Eine neue Linie erschien vor ihrem zweiten Gesicht, ein feiner Faden aus grauem Licht, der von ihr ausging. Das ist eine Rettungsleine. Irgendwie wusste sie, dass diese Leine sich von einem Ende der Welt zum anderen strecken konnte, ohne zu zerreißen.
Zutiefst bewegt vervollständigte sie den formellen Gruß, küsste beide Handrücken, beugte sich dann zu seinen Füßen nieder und berührte jeden seiner Stiefel mit den Lippen. Er zuckte ein wenig, als wolle er sie davon abbringen, dann aber stand er still und ließ es geschehen. Er griff ihre Hand und half ihr wieder auf die Füße. Ihre Knie fühlten sich an wie
Weitere Kostenlose Bücher