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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Handgelenke brechen als die Fesseln sprengen, und dann wie ein Sack neben ihrem Reittier hergeschleift.
    Nun wurden auch von der Spitze der Kolonne donnernder Hufschlag, Rufe und Schreie laut. Ein mit wildem Gebrüll geführter Kavallerieangriff prallte mit metallischem Klirren auf die vorderen Reihen der Jokoner. Pferde wieherten schrill, schnaubten und stürzten zu Boden. Weitere Schreie erklangen von hinten. Der Offizier, der Ista im Schlepp hatte, zerrte so heftig an den Zügeln, dass sein Pferd sich aufbäumte. In panischer Angst blickte er sich um.
    Der Befehlshaber löste sich aus dem Gefecht und galoppierte mit gezogenem Schwert auf den Offizier zu. Er rief etwas auf Roknari und bedeutete einigen anderen Männern, ihm zu folgen. Sie rissen Ista und ihren Wächter mit sich, brachen zur Seite aus und kämpften sich dort die niedrige Böschung empor. Der Schwertkämpfer an der Spitze bahnte ihnen den Weg durch eine Reihe von Armbrustschützen in grauen Wappenröcken, die auf das Kampfgetümmel zuhielten. Ista und das halbe Dutzend Jokoner jagten an weiteren Reitern vorbei und ins Buschland hinein, das an die Bäume am Fluss grenzte.
    Ista dröhnte der Kopf, und ihr Blick wurde verschwommen. Ihr wurde schwarz vor Augen; dann wieder wurde sie geblendet von weißem Feuer, das mit dem Sterben um sie her aufloderte. Die Wucht eines jedes Todes traf sie mit fürchterlicher Wucht und ließ sie schwanken. So viele Seelen, die zur selben Zeit und am selben Ort gewaltsam aus ihren Körpern gerissen wurden! Sie durfte jetzt nicht das Bewusstsein verlieren und vom Pferd fallen – bei dieser Geschwindigkeit konnten ihr leicht die Hände abgerissen werden. Wie ungerecht es gewesen war, den bedauernswerten Mann in der letzten Nacht auszupeitschen, wo doch seine eigenen Befehlshaber nicht zögerten, seinerseits ihn im Stich zu lassen …
    Dann sah sie nur noch den Hals ihres Pferdes, seine zurückgelegten Ohren und den harten Boden, der unter ihr vorbeiflog. Ihr verängstigtes Reittier musste nicht einmal mehr gezogen werden, sondern rannte mit dem Pferd des Offiziers um die Wette, bis es fast die Spitze einnahm. In weitem Bogen wandten sie sich nach rechts. Schließlich wurden sie langsamer, als sie in eine unwegsamere Gegend gelangten, wo kleine Hügel, mit vereinzelten Wäldchen bestanden, sie zumindest vor den Blicken möglicher Verfolger schützten.
    Schließlich nahm der Anführer sich die Zeit, sein Schwert wieder einzustecken. Es war unbefleckt, stellte Ista fest. Er führte sie durch die Wildnis, stets in der Deckung der Felsen und Bäume. Ista hatte den Verdacht, dass der Mann sich keine großen Gedanken darüber machte, wohin es ging, solange er nur mögliche Verfolger verwirren konnte. Die Wälder wurden dichter. Ista schätzte, dass sie sich mindestens fünf, sechs Meilen vom Ort des Hinterhalts entfernt hatten.
    Schließlich suchten die Pferde sich vorsichtig ih ren Weg durch das steinige Bett eines kleinen Baches in einer tiefen Klamm, und Ista kam allmählich wieder zu Atem. Sie fragte sich, in welcher Gefahr sie jetzt schwebte. Diese Offiziere hatten alles verloren – ihre Männer, ihre Ausrüstung, ihre Beute und selbst den richtigen Weg. Doch solange sie Ista vorweisen konnten, würde der Fürst von Jokona ihnen jede Katastrophe verzeihen. Ista verkörperte die Hoffnung dieser Männer auf Wiedergutmachung. Sie würden sie nicht gehen lassen, nicht gegen Geld und nicht unter Drohungen; sie würden sie nicht einmal gegen das eigene Leben eintauschen. Deshalb stand nicht zu befürchten, dass sie ermordet wurden; doch der Tod durch irgendein Missgeschick oder eine Fehleinschätzung ihrer überreizten Entführer war leicht möglich. Also war ihre Lage nicht viel besser geworden.
    Über eine Meile folgten sie dem immer tieferen Felseinschnitt. Die Böschung wurde zunehmend steiler und war dicht mit Bäumen und Pflanzen bewachsen, doch in der Ferne bemerkte Ista einen dunstigen, hellen Fleck. Sie umrundeten eine weitere Biegung und stellten fest, dass die Schlucht unvermittelt in ein flaches, klares Flüsschen mündete.
    Und zwischen beiden Wänden der Kamm stand ein einsamer Reiter und verstellte ihnen den Weg hinaus. Ista stockte der Atem, und ein eisiger Schauer überlief sie. Oder war es ein Gefühl der Erregung?
    Die holzkohlengrauen Flanken des Pferdes, auf dem der Fremde saß, waren nass von flockigem Schweiß; die Nüstern des Tieres waren weit aufgerissen und gerötet, und die Hufe scharrten über den

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