Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
hast?«
»Mehr oder weniger.«
Ajay blieb auf einem Treppenabsatz stehen und musterte ihn. »Du wirst quasi auf der Stelle an Unterkühlung sterben.«
»Hat man mir schon gesagt.«
»Wie viel Geld hast du?«, hakte Ajay nach.
»Was kommt nach ›bitterer Armut‹?«
»Bitte sag mir, dass du noch nicht total in Brooke verknallt bist.«
Endlich hatte Will ihn eingeholt. »Wie kommst du darauf?«
Enttäuscht schüttelte Ajay den Kopf und rannte weiter die Treppen hinunter. »Großer Gott, Mann, wir müssen uns ranhalten.« Er preschte durch die Tür im Erdgeschoss und legte draußen das gleiche hohe Tempo in Richtung Campus vor. Die Temperatur war beträchtlich gestiegen – von sofortiger Lähmung auf knapp unterhalb von Frostbeulen.
Will zog den Reißverschluss seiner Jacke zu und bibberte. »Wie kommst du darauf, dass ich in Brooke verknallt bin?«, fragte er.
»Also bitte, Will. Aufgrund der räumlichen Nähe sieht das Schicksal eindeutig eine Art von Freundschaft zwischen uns vor, aber du musst einfach die Gefährlichkeit unserer Situation anerkennen.«
»Und worin besteht die?«
Ajays große Augen wurden noch größer. »Die erstaunliche und beinahe übernatürliche Attraktivität nicht nur unserer beider außergewöhnlichen Mitbewohnerinnen, sondern der gesamten weiblichen Population der Schule.«
»Du meinst … sie sind alle wie Brooke?«
»Nein, das ist es ja gerade«, erklärte Ajay und gestikulierte wild. »Sie sind alle so verschieden wie Schneeflocken. Wunderschöne, interessante Mädchen, jedes auf seine eigene, bezaubernde Art in der Lage, einen um den Verstand zu bringen. Jeder richtige Mann würde mit einem Bantu-Speer im Bein durch haiverseuchte Gewässer schwimmen, um mit uns zu tauschen. Aber wenn du dich nicht beherrschst, wird dein Nervensystem explodieren wie ein Feuerwerkskörper. Nicht mal ein Sprengstoffspürhund könnte dich noch retten.«
»Wie alt bist du?«, fragte Will.
»Fünfzehn. Aber das chronologische Alter ist eine sehr unzuverlässige Bewertungsgröße.«
»Okay, ich finde, Brooke ist einfach der Wahnsinn und wird eines Tages die Welt regieren. Besser?«
»Ja! Denn jetzt haben wir zumindest geklärt, dass du kein Roboter bist.« Ajay schlug Will auf den Rücken, lachte herzlich und führte ihn in eines der größeren Gebäude.
Auf einem nicht zu übersehenden Schild stand STUDENTENWERK. Doch selbst die Ausmaße dieses Schilds konnten Will nicht auf das vorbereiten, was ihn im Inneren erwartete: Das Studentenwerk besaß die Größe eines Einkaufszentrums. Ein Lebensmittelgeschäft nahm die südwestliche Ecke ein. Neben einem Waschsalon mit chemischer Reinigung befanden sich eine Bank, dahinter ein riesiger Sportartikel-Laden und ein Geschäft, das allen erdenklichen Künstler- und Wissenschaftsbedarf anbot. Die Buchhandlung schien endlos zu sein. Sie ging in den geschäftigen Food-Court, dem Gastronomiebereich mit acht verschiedenen Imbissen und Restaurants über, von denen keines so aussah, als bekomme man dort billiges, ungesundes Fastfood. Gegenüber entdeckte Will ein Duplex-Kino; in einem wurde ein Film gezeigt, der gerade erst landesweit angelaufen war. Ajay erklärte, in dem anderen seien nur Klassiker aus dem »Goldenen Zeitalter« – lange vor Star Wars – im Rahmen eines Filmwissenschaftskurses zu sehen. Die Laufschrift kündigte »Alfred Hitchcock: Das Fenster zum Hof« an. Direkt nebenan lagen das Bowling Center mit sechs Bahnen und die Eisdiele, die Will in den Prospekten der Schule gesehen hatte.
Will folgte Ajay in ein Bekleidungsgeschäft von der Größe eines Fußballplatzes, wo sich ein Ständer mit allen nur erdenklichen Klamotten in den Farben der Schule an den nächsten reihte. Will war überwältigt – bis er sich schmerzlich der Tatsache bewusst wurde, dass er nur noch hundert Dollar besaß.
»Fang schon mal an«, forderte Ajay ihn auf und schob ihm einen Einkaufswagen hin. »Ich bin gleich wieder da.«
Ajay eilte davon und Will lenkte den Wagen zu den Wintersachen. Er konnte keine Preisschilder finden, aber das Teil, das er am liebsten wollte – ein schweres blaues Fleeceshirt mit dem grauen Kürzel CIL auf der Brust –, würde mindestens die Hälfte seiner Finanzen aufzehren. Zögernd warf er es in den Einkaufswagen. Er versuchte gerade, sich zu entscheiden, ob er den Rest des Gelds für eine Khakihose oder ein Rugby-Hemd ausgeben sollte, als Ajay zurückkam.
»Das hier war an der Kasse für dich hinterlegt«, teilte er Will mit.
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