Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
säumten die Wände. Eine einzelne Stufe führte hinab zum Mittelpunkt des Raumes, wo große Bodenkissen und kleine Teppiche um einen runden gemauerten Kamin angeordnet waren. An beiden Enden des Raums stand je ein altmodisches Telefon. Nirgends waren Fernseh- oder Computerbildschirme zu sehen, sodass die Einrichtung seltsam zeitlos wirkte.
Hinter einer der geschlossenen Schlafzimmertüren drang klassische Klaviermusik hervor. Jemand übte und dieser Jemand war außerordentlich begabt. Brooke kam mit Watte und einem Desinfektionsmittel wieder. Sie öffnete die Flasche und tränkte einen Bausch Watte mit der Flüssigkeit.
»Du musst das nicht tun«, sagte Will. »Ich kann auch wieder auf die Krankenstation gehen.« Sein Kopf schmerzte noch immer, aber das Schwächegefühl ließ allmählich nach.
»Zwei Jahre Schwesternhelferin – ich glaube, ich kriege das schon hin«, meinte Brooke. »Meine Mom ist Ärztin. Dreh deinen Kopf ein bisschen.« Sie beugte sich hinab, strich Wills Haare zur Seite und nahm ihm den Verband ab. Als sie ihn auf den Tisch legte, sah Will, dass er rot getränkt war. Vorsichtig tupfte sie Desinfektionsmittel auf die Stiche und Will musste sich unglaublich zusammenreißen, um nicht vor Schmerz aufzuschreien. Voll konzentriert biss Brooke sich auf die Lippen. »Sieht aus, als würden die Stiche halten … und die Blutung hat auch schon wieder aufgehört …«, meinte sie. »Tut das nicht höllisch weh?«
»Nein«, behauptete Will.
»Lügner. Ich würde schreien.«
»Von wegen Schwesternhelferin, was?«
»Halt den Mund.« Als Brooke die Wunde gereinigt hatte, bereitete sie einen neuen Verband vor.
»Wie bist du hier gelandet?«, fragte Will.
»Mein Dad ist ein Ehemaliger. Es stand eigentlich nie zur Debatte, dass ich irgendwo anders hingehen würde.«
»Es hatte also nichts mit deinen Testergebnissen zu tun?«
»Meine Ergebnisse waren super, aber die Kinder von Absolventen haben natürlich einen Vorteil. Ich wusste seit der dritten Klasse, dass ich hierherkommen würde.« Sie legte Will den neuen Verband an. »So müsste es gehen. Erzähl bloß niemandem, dass du ein Handy hast.«
»Ich werde schweigen wie ein Grab, solange du nichts sagst.«
Brooke musterte ihn eindringlich. »Ich meine es ernst, Will. Letztes Jahr habe ich gesehen, wie Lyle bei einem Neuen ein Handy gefunden hat. Das Nasenbluten des Jungen hat überhaupt nicht mehr aufgehört.«
Und ich wette, Lyle hat ihn nicht mal angefasst . Bei der Erinnerung an Lyles Attacke zuckte Will zusammen. »Immer wird den falschen Leuten die Verantwortung übertragen.«
»Ich hätte dich vor Lyle warnen sollen. Beim nächsten Mal weißt du Bescheid.«
Beim nächsten Mal bin ich vorbereitet.
»Entschuldigung, hast du was gesagt?«, fragte sie.
»Nein.« Okay, das passiert in letzter Zeit ziemlich oft .
Brooke warf ihm einen scharfen Blick zu, legte das Verbandszeug auf eine Theke und spielte dann wieder die Museumsführerin: »Das hier ist also unser Gemeinschaftsraum mit der Küche. Die Schlafzimmer sind hinter den einzelnen Türen. Deines liegt da drüben.«
Sie führte ihn zu einer Tür, die mit einer »4« markiert war. Dahinter befand sich ein überraschend großes Zimmer mit unregelmäßigen Ecken und Winkeln, hellblau gestrichenen Wänden und dunklen Holzdielen. Ein Einzelbett mit Nachttisch und ein massiver Schreibtisch mit einem futuristisch anmutenden Stuhl aus Stahlgeflecht bildeten das einzige Mobiliar. Auf dem Schreibtisch stand eines der schwarzen Telefone und in einem offenen Wandschrank war eine Kommode untergebracht. Ein großes Erkerfenster ging auf den Wald hinaus, in entgegengesetzter Richtung zum Campus. Die andere Tür in dem Zimmer führte zu einem kleinen, weiß gekachelten Bad.
»Das Zimmer soll übrigens absichtlich so aussehen wie eine weiße Leinwand«, erklärte Brooke. »Du sollst ihm deine persönliche Note verleihen. Hast du Hunger?«
»Ich bin kurz vorm Verhungern.«
»Lass dir Zeit beim Umschauen. Ich sehe nach, was wir im Kühlschrank haben.« Sie schloss die Tür hinter sich.
Will warf seine Tasche aufs Bett und testete die Matratze: hart, aber nicht zu hart, genau richtig. Das Zimmer war angenehm, aber ausgesprochen neutral. Er hätte überall auf der Welt sein können.
Hier wohne ich jetzt.
Diesen Moment hatte er schon viele Male erlebt. Er war daran gewöhnt, von vorn anzufangen.
Aber nie allein. Nie ohne meine Eltern .
Jetzt, da er hier – und in Sicherheit – war, brach die ganze
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