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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Magenmittel, das auch den Schweiß reduziert. Und erst die Früchte des Quittenbaums, die Fieber sofort senken! Sie werden mit größter Sorgfalt gesammelt, selbstredend nur, wenn der Vollmond am Himmel leuchtet, im Mörser zerdrückt und anschließend mit Wasser mazeriert. Unter Umständen kann man die Prozedur durch sanftes Köcheln oder Pressen beschleunigen – aber welches Feingefühl der Hände ist dazu notwendig!« Er lächelte in sich hinein. »Jahrelang habe ich vergeblich nach den geschicktesten Salbenmeistern gesucht, bis ich schließlich damit begonnen habe, sie selbst auszubilden. Schüler – auf dem Weg zu echter Meisterschaft! Ich bin den jungen Männern, die unter meiner Obhut arbeiten und leben, ein väterlicher Freund, der sie in die Geheimnisse seiner Kunst einweiht. Sie haben mir alles zu verdanken. Alles.« Mit Verschwörermiene winkte Iassos ihn näher heran. »Wir müssen mit der Vergänglichkeit leben«, flüsterte er. »Wenn man die winzige Prise Salz am Schluß vergißt, verdirbt im Handumdrehen auch die kostbarste Essenz!«
    Asterios wandte sich gähnend zur Seite.
    »Du kannst schließlich nicht ahnen, was diese Wissenschaft für mich bedeutet. Sie ist alles, was ich besitze«, rief er plötzlich so leidenschaftlich, daß Asterios zusammenfuhr. »Sie ist mein Leben!«
    »Sehr aufschlußreich«, murmelte Asterios.
    »Schon gut, schon gut«, gab Iassos gekränkt zurück. »Vielleicht weckt das dort drüben eher dein Interesse.« Er schob sich erstaunlich geschickt durch den vollgestellten Raum. Vor einem niedrigen Tisch unter dem Fenster blieb er stehen. »Das ist die Lieferung für die Villa der Königin! Manganpulver für strahlende Augen. Ockerpuder, der Wangen und Nasenflügel schimmern läßt. Haematit für lockende Purpurlippen. Feine Lavaerde, die die Locken glänzend macht. Ja, da wunderst du dich!« rief er. »Natürlich verwenden die Hofleute diese Hilfsmittelchen! Bei dir auf dem Land mag das vielleicht anders sein. Aber was rede ich da – du schläfst ja schon im Stehen!«
    Er schob ihn aus dem Raum und löschte das Licht.
     
    Asterios erwachte aus traumlosen Schlaf. Eine Hand berührte sanft seinen Arm, und im Schein der Kerze erkannte er das Gesicht der Dienerin. Als er aufstehen wollte, hielt Hamys ihn mit leichter Geste zurück und zeichnete auf seine Brust den Segensgruß der Göttin. Überrascht sah er sie an. Sie reichte ihm einen flachen Lederbeutel, bemalt mit rötlichen Schlangenlinien.
    Ein Abschiedsgeschenk von Iassos, dachte Asterios und legte ihn zu seinen Sachen, um später hineinzuschauen. Unwillkürlich mußte er lächeln. Was für ein komischer Kauz, auf den er da gestoßen war, tiefgründig und eitel, aufbrausend und gutmütig zugleich!
    Während er sich Gesicht und Hände wusch, kam ihm wieder der merkwürdige Gesichtsausdruck des Händlers bei ihrem gestrigen Gespräch in den Sinn. Ob er sich mit seinem Gestotter verraten hatte? Nein, das war unwahrscheinlich. Selbst ein listiger Kopf wie Iassos war nicht in der Lage, sich auf seine merkwürdige Geschichte einen Reim zu machen.
    Er zog sich an, packte seine Tasche und stieg leise die Treppe zum Erdgeschoß hinab. Auf der untersten Stufe stand ein Teller mit heißer Gerstensuppe, den er unberührt ließ, und ein Becher mit Kräutertee, den er durstig trank. Vor dem Zimmer seines Gastgebers hielt er inne und lauschte. Als drinnen alles still blieb, öffnete er die Haustür und trat hinaus auf die dunkle Straße.
    Asterios schritt rasch aus und unterdrückte den Impuls, sich noch einmal umzudrehen. So bemerkte er nicht, daß am Fenster des Obergeschosses Iassos stand und ihm noch lange nachsah.
    Vor den Stallungen der Königin waren bereits mehrere Dutzend Hirten versammelt. Aus allen Richtungen kamen unablässig weitere dazu: ältere und jüngere Männer, viele von ihnen mit wettergegerbten Gesichtern. Die meisten trugen Schurz und Hemd; ein paar hatten sich in Mäntel aus ungefärbter Wolle gewickelt.
    Die Männer lachten und unterhielten sich. Unschlüssig trat Asterios von einem Bein auf das andere und zögerte, zu einem der Grüppchen zu treten. Ein Bärtiger winkte ihn schließlich heran und begann, ihn auszufragen. Er nannte seinen früheren Namen und erzählte die Geschichte so, wie Merope sie ihm aufgetragen hatte.
    »Ich bin Baupios. Wenn du willst, kannst du dich mir anschließen, und ich werde dir zeigen, was zu tun ist. Siehst du das große Tor?«
    Asterios nickte.
    »Das wird bei Sonnenaufgang

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