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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sich hinter Baupios am Ende der Prozession ein.
    Als ich noch Astro war, war alles klar und einfach, dachte er bedrückt. Wer bin ich jetzt? Ein Blinder, der nach dem Weg sucht.
     
    Langsam bewegte sich von Osten her der Zug der Hirten auf die Palastanlage zu. Von Westen näherte sich die Karawane der Bäuerinnen dem Opferplatz. Mädchen liefen voraus; sie trugen Blumenkränze im Haar und hielten Stäbe, die mit Myrthenzweigen umwunden waren. Frauen schleppten Körbe, gefüllt mit Oliven, Artischocken und Hyazinthenzwiebeln; andere balancierten Kykeongefäße auf ihren Köpfen, in denen Öl oder geharzter Wein schwappte.
    An der Wegkreuzung hielten Jesas Gehilfinnen den zweiten Zug so lange zurück, bis die Hirten die Führung übernommen hatten. Die Oberschreiberin setzte sich an die Spitze der Prozession und stimmte die Dank- und Segenslieder an. Zwei junge Frauen schlugen die Trommel, Mädchen bliesen auf Flöten und Schalmeien. Der Chor der Frauenstimmen fiel ein.
    Asterios sah die Königin schon von weitem, und sein Herz begann heftig zu schlagen. In ihrem Purpurmantel stand sie wie eine Fackel vor dem Stufenaltar. Dunkles, von Silberfäden durchzogenes Haar fiel lockig über Brust und Rücken. Ein Goldreif schmückte ihre Stirn.
    Als sie näher kamen, konnte er weitere Einzelheiten erkennen: Links vom Altar, vor dem ein dreiteiliger Schrein aufgebaut war, hielten zwei junge Frauen in weißen Kleidern die Bügelkannen. Hinter ihnen stand eine ältere Frau, die ein rothaariges Mädchen an der Hand hielt. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor, und er kniff die Augen zusammen, um sie besser zu sehen. Aber sie hatte sich leicht abgewandt, und er sah nur ihr Profil.
    Rechts standen Jesa und Eudore. In gehörigem Abstand zu ihnen entdeckte er den Stallmeister, der jetzt einen blauen Mantel trug. Asterios Blick glitt wieder zur Königin, die inzwischen auf dem Thron Platz genommen hatte. Er starrte sie an, bis seine Augen schmerzten, aber es wollte ihm nicht gelingen, ihr ganzes Bild zu erfassen. Immer wieder blieb er an Einzelheiten hängen. Den Mundwinkeln, die leicht herabgezogen waren, einem kleinen Leberfleck neben dem rechten Nasenflügel, der steilen Falte zwischen den schwarzen Brauen. Er empfand weder Glück noch Erleichterung bei ihrem Anblick, nur ein Gefühl absoluter Leere.
    Mechanisch registrierte er, wie sich die anderen Hirten in Zweiergruppen formierten und mit ihren Tieren auf die Königin zugingen. Nacheinander blieben sie vor dem Thron stehen, verneigten sich tief und empfingen von Pasiphaë das Segenszeichen.
    Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, und er war froh um jeden, der vor ihm an der Reihe war. Doch unausweichlich kam auch er dem Thron näher. Seine linke Faust war fest um den Delphinring geschlossen.
    »Was ist los mit dir?« flüsterte Baupios, der neben ihm ging. »Atme, Astro, atme – werde jetzt bloß nicht ohnmächtig!«
    »Mach dir keine Sorgen«, preßte Asterios mühsam hervor.
    Und dann stand er vor Pasiphaë und hatte das Gefühl, als ob der steinige Boden unter seinen Füßen schwand. Er begann zu zittern und starrte auf den Saum des Gewandes, unter dem ihre nackten Füße hervorschauten, mit rötlichen Schlangenlinien bis über die Knöchel hinauf kunstvoll bemalt. Stumm verharrte er in seiner unbequemen Stellung, unfähig, auch nur seinen Kopf zu heben oder ihr gar ins Gesicht zu sehen.
    »Die Große Mutter segne dich, Hirte, und deine Tiere, denen Sie Fruchtbarkeit und Gesundheit schenken möge.«
    Ihre Worte drangen wie aus weiter Ferne zu ihm. Er umklammerte den Hanfstrick, an dem er seine Ziegen führte, so fest, daß die Knöchel an seiner Faust weiß hervortraten. Dann spürte er, wie eine kräftige Hand seine Finger löste.
    »Du mußt schon loslassen, Hirte, wenn du der Königin deine Steuer übergeben willst«, sagte Jesa spöttisch.
    Benommen trat er ein Stück beiseite, ohne zu bemerken, daß seine Tiere weggeführt wurden und Baupios nach ihm mit denselben Worten gesegnet wurde. Er kam erst wieder zu sich, als bereits der Zug der Bauern vor der Königin defilierte.
    »Bist du krank?« fragte Baupios besorgt, als Asterios ihn abwesend ansah.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Asterios matt und ließ den Ring zurück in seinen Beutel gleiten.
    »Du bist krank, Junge, keine Frage! Erst die ganze Aufregung und dann das lange Warten in der Sonne! Hast du heute überhaupt schon was gegessen? Wahrscheinlich nicht!« Baupios zog Fladenbrot heraus und reichte ihm seinen

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