Palast der Schatten - historischer Kriminalroman
Hans eine Zigarette an. Sie rauchten. Der Qualm stieg in den Schein des fahlen, grün-gelblich schimmernden Gaslichtes und bildete milchig trübe Wolken.
Die Kellnerin stellte die Bierkrüge auf den Tisch. Sie prosteten sich zu, tranken. Theo klopfte Zigarettenasche ab, nahm einen Bierdeckel zur Hand, drehte ihn.
»Hans, ich möchte dich was fragen.«
»Um was gehtâs?«
»Ich weià nicht, was ich machen soll. Carla erzählt nichts von sich, aber ich will es wissen, ich will wissen, was mit ihr ist.« Er zog an der Zigarette. »WeiÃt du, neulich hatte ich sie erschreckt. Es war nichts als ein Dummer-Jungen-Streich. Ich stand mit der Bäckertüte hinter der Tür. Als sie hereinkam, habe ich die Tüte knallen lassen. Sie schrie auf. Dann fing sie zu weinen an und konnte sich nicht mehr beruhigen. Ich wollte sie in den Arm nehmen und mich entschuldigen. Aber sie wehrte mich ab und rannte ins Schlafzimmer. Ich musste die Nacht auf dem Sofa verbringen. Mensch, es war doch nur ein harmloser SpaÃ.« Theo knickte den Bierdeckel. »Manchmal weint sie nachts oder schreckt hoch. Aber sie sagt nur: âºIch habe schlecht geträumtâ¹ und âºIch kann mich nicht erinnernâ¹.«
Er riss den Bierdeckel ein. »An einem Sonntagmorgen, es regnete in Strömen, saÃen wir beisammen und lasen. Es war sehr gemütlich. Da holte ich ein paar Fotos von Simon hervor und zeigte ihr das Wanderkino und noch so einiges. Ich erzählte ihr von meinen Eltern, von der Zeit in der Fabrik, von Simon und unserem Umherreisen, dem Brand und wie wir unser Kino eingerichtet haben. Ich hoffte, sie würde mir Fragen stellen und dann vielleicht auch etwas über sich preisgeben. Aber sie fragte nichts und blieb stumm. Ich hab wirklich alles versucht. Sogar meine Träume hab ich ihr anvertraut, auch die schrecklichen.«
»Lass ihr Zeit. Manchmal ist die Vergangenheit mächtiger als die Gegenwart.«
»Zeit, Zeit ⦠Sie hat kein Vertrauen zu mir. Aber ich will sie heiraten. Ich liebe sie so sehr wie niemanden sonst auf der Welt. Manchmal kommt sie mir vor wie in einem Film. Dann erscheint mir die Luft um sie herum grau. Ich höre ihre Stimme, und doch ist mir so, als öffne sie nur den Mund, und ihre Bewegungen sind blutleer. Nein, das ist falsch ausgedrückt. Sie sind schwebend, nicht zu greifen. Verhuscht und ängstlich.
Hans, sie lügt mir vor, sie hätte kein Geheimnis. Dabei spür ich es. Es ist, als ob ein dunkler Vorhang vor ihr hängt. Ich möchte ihn öffnen, aber ich kann sie doch nicht zwingen zu reden.«
Hans drückte die Kippe in den Aschenbecher.
»Es gibt Dinge, die lassen sich erklären und andere nicht. Warum willst du unbedingt alles über sie wissen?«
»Ich ⦠ich ⦠Mir sitzt etwas im Nacken. Es fühlt sich schwer an. Es ist mit Carla bei mir eingezogen.«
»WeiÃt du denn gar nichts über sie?«
»Sie hat mir nur erzählt, dass sie aus Bayern kommt. Na ja, das ist auch nicht zu überhören. Und dass ihr Vater Lehrer ist. Er war sehr streng. Nach dem Tod der Mutter hat er sie aufs Lehrerinnenseminar geschickt. Dort kam sie nicht zurecht. Zum Vater wollte sie auch nicht zurück. Da ist sie weggelaufen. Aber das ist doch kein Grund, so verschlossen zu sein. Da ist sicher noch was anderes.«
Hans setzte das Bierglas ab.
»Du hast nur eine Möglichkeit: Geduld. Wenn du sie liebst, habe Geduld. Und überhaupt, ist es nicht egal, wer sie ist?«
»Von wegen. Das ist nicht egal.«
»Doch, es ist völlig egal. Wenn du sie liebst, dann nimm sie so, wie sie ist.«
Theo schnippte den Bierdeckel über den Tisch.
»Ja, vielleicht hast du recht.«
Was man aus Liebe tut
Sie schlief noch. Theo schlich aus dem Schlafzimmer in die Küche. So leise wie möglich setzte er Wasser auf, füllte den Kaffeefilter, setzte ihn auf die Kanne. Er deckte den Tisch, holte die Geschenke aus der Kommode, drapierte sie. Er lief zu Guste und Hans hinüber, um die Blumen zu holen. Guste spähte aus der Tür heraus.
»Hier sind auch die Brötchen. Sie sind noch warm. Viel Vergnügen!«
Theo schlich in die Wohnung zurück, entzündete die Kerzen. Sein Herz flatterte vor Aufregung. Die Eier, er hatte die Eier vergessen. Er nahm von dem kochenden Kaffeewasser, goss es in einen kleinen Topf, legte die Eier auf die Schaumkelle und lieà sie ins Wasser
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