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Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Titel: Palast der Schatten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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möchtest du filmen? Hast du eine Idee?«
    Carla überlegte nicht lang.
    Â»Ich möchte Hüte filmen. Hüte und Gesichter.«
    Â»Hüte?«
    Â»Ja, Hüte.«
    Theo lachte. »Das ist eine verrückte Idee. In Ordnung, filmen wir Hüte.«
    Er küsste Carla. »Ich fang mit deinem zauberhaften Topfhut an. Und dann kannst du meine Schiebermütze filmen.«
    Â»Nein, ich will nicht gefilmt werden, um keinen Preis. Ich werde dich filmen, Theo. Zeig es mir.«
    Sie passierten das Parktor und folgten dem Hauptweg. Die Sträucher blühten in voller Pracht. An den Zweigen der Jasmine, Kolkwitzien und Weigelien hingen duftende Blütenwolken in cremeweißen und rosafarbenen Tönen, darunter leuchteten dichte Matten von Vergissmeinnicht, aus denen weiße Tulpen herausragten. Es war außergewöhnlich warm für die Jahreszeit. Überall tummelten sich die Menschen. Arbeiterfamilien saßen auf dem frischgrünen Rasen, Kinder liefen barfuß umher und spielten Ball oder Drittabschlagen. Die Mütter, die mitspielten, hatten die Oberröcke ausgezogen. Ihre Unterhosen schienen durch die dünnen Unterröcke.
    Theo baute die Kamera am Wegesrand auf.
    Â»Wir fangen mit einer ruhigen Einstellung an. Schau, hier hältst und schwenkst du die Kamera. Du musst durch dieses Objektiv gucken. Und du darfst nicht zu langsam kurbeln. Etwa zwei bis drei Umdrehungen pro Sekunde sollten es schon sein. Versuch’s mal.
    Gut, das sieht gut aus. Also, pass auf. Ich werde zunächst ganz still stehen, damit du mich fokussieren kannst. Dann werde ich mich langsam vorwärts bewegen. Du versuchst, die Kamera zu schwenken und mich im Fokus zu halten. Das ist vorerst alles. Mach keine abrupten Schwenks, sonst werden wir beim Anschauen seekrank. Halte die Kamera so ruhig wie möglich.«
    Carla kurbelte.
    Â»Sehr gut!«, rief Theo. »Jetzt ›Stopp‹ und dann die nächste Szene.«

    Den ganzen Morgen verbrachten sie in der Welt der Hüte. Sie filmten Borsalinos, Wagenräder, Melonen, Zylinder, Federhüte, Strohhüte, Ballonmützen, Polizeihelme, Schaffnermützen, Pickelhauben, Judenkappen, Babymützen, Kopftücher, Schleierhüte, Kochmützen, Zimmermannshüte. Hüte, die auf Glatzköpfen oder Lockenköpfen saßen. Hüte, unter denen junge und alte Gesichter wohnten, mit glatter und faltiger Haut, mit Augen, die lachten oder weinten, mit Mündern, die Silben formten oder schwiegen, die offen standen oder ernst verschlossen waren, traurig, fröhlich oder wütend wirkten. Hüte, unter deren Schutz die Menschen mit verdecktem Gesicht auf der Parkbank schliefen. Hüte, die im Schaufenster auf Gestelle drapiert waren. Hüte, die in den Händen gedreht wurden, auf der Parkbank oder im Gras lagen.
    Hüte, Hüte, Hüte …
    Theo blickte auf die Uhr.
    Â»Wir müssen zurück, die Vorstellung! Wir kommen noch zu spät. Schnell!«
    Carla umarmte Theo.
    Â»Es war ein wunderschöner Morgen.«
    Â»Wir werden einen Film draus machen. Ich seh ihn schon vor mir. Gleich heute Abend nach der Vorstellung schauen wir alles an. Dann kommt die Arbeit. Auswählen, schneiden, kleben. Tricks. Stell dir vor, wir schneiden alle Szenen zusammen, in denen Männer den Hut zum Gruß lüften. Nacheinander kommen die ganzen verschiedenen Hutformen und Gesichter. Dann lassen wir alles wieder rückwärts laufen oder hin und her. Oder immer schneller. Und das schreiende Baby mit der verrutschten Kappe setzen wir gleich hinter den verrußten Kohlenmann mit seiner dreieckigen Sackmütze. Und den Strohhut, den der Student in die Luft geworfen hat, den zeigen wir in Zeitlupe, dann schwebt er in der Luft und schwebt und schwebt. Und dann, dann stürzt er in rasendem Tempo zu Boden. Ach, ich habe tausend Ideen. Knöpfchen, das war ein wunderbarer Einfall mit den Hüten. Wirst sehen, das wird ein fabelhafter, komischer Film. Wir werden ihn im Kino zeigen. Die Leute werden sich vor Lachen krümmen.«

    Sie saßen nebeneinander auf Schemeln am Schneidetisch in der kleinen Kammer, die sich an der Rückwand des Kinosaales befand.
    Â»Weißt du, auf einem Meter Film sind 50 kleine Momentaufnahmen. 300 Meter Film sind 15000 Aufnahmen. Sie laufen in einer viertel Stunde durch den Projektor. Unser Film wird etwa 100 Meter lang. Wir werden jetzt die einzelnen Szenen auseinandernehmen, nummerieren, eine Titelliste

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